Maifrost 2011 in Württemberg: Empfehlungen der Weinbauberatung
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Im Taubertal ist überwiegend Totalschaden festzustellen. Im Bereich um Heilbronn, im Württembergischen Unterland, der flächenmäßig bedeutendsten Württemberger Weinregion, beläuft sich der durchschnittliche Ertragsausfall auf ca. 40 %. Aber auch hier gibt es je nach Gemarkung Ertragsausfälle zwischen 30 und 80 %. Die südlichen Gebiete um Stuttgart und im Remstal kamen etwas glimpflicher davon. Dort ist der durchschnittliche Schaden mit 10-20 % noch verkraftbar.
Grundsätzlich sind talnahe Lagen sehr stark betroffen. Je nach Gebiet geht der Schaden aber auch bis weit in die obere Lagen. Überall dort, wo Kaltluft im Abfluss gebremst wurde oder sich sammeln konnte, sind die Schäden stärker.
In frostsichereren Lagen steht hauptsächlich die Sorte Trollinger und eingeschränkt auch der Lemberger. Hier ist über das Gesamtgebiet hinweg mit relativ normalen Erträgen zu rechnen. Hauptsächlich betroffene Sorten sind lagebedingt Schwarzriesling, die Burgundersorten und Riesling.
Mastige Rebsorten wie z.B. Dornfelder, Müller-Thurgau, Lemberger und Acolon sind unter vergleichbaren Verhältnissen tendenziell stärker geschädigt als z.B. Schwarzriesling oder Trollinger. Der Versuch einer vollständigen Ertrags-Kompensation durch die gesunden Anlagen ist aus qualitativer Sicht sicher nicht sinnvoll. Hier müssen vernünftige Triebregulierungen und eine Ertragssteuerung mit Augenmaß betrieben werden. Für endgültige Aussagen hinsichtlich der Ertragserwartung von nicht- oder teilgeschädigten Weinbergen bedarf es noch etwas Geduld. Wie ältere Weingärtner berichten, besteht die Gefahr, dass bei Teilschädigungen z.B. der Triebspitze die zunächst noch vorhandenen Gescheine im Verlauf der nächsten Wochen noch abgestoßen werden können (Bild 4).
Bereits drei Tage nach dem Frostereignis hat, bedingt durch die sommerlichen Temperaturen, bei teilgeschädigten Trieben die Geiztriebbildung eingesetzt (Bild 2). Ziel muss hier sein, im stammnahen Bereich Fruchtholz für das nächste Jahr zu erhalten. Dazu wird empfohlen, im Stammkopfbereich die teilgeschädigten Rebtriebe bis zum ersten basalen Geiztrieb zurückzuschneiden (Bild 3), damit diese dann im Winter als Fruchtrute für 2012 angeschnitten werden können. Im mittleren und vorderen Bereich der Bogrebe muss nicht regulierend eingegriffen werden, falls keine Trauben mehr vorhanden sind. Sollten aber eine gewisse Anzahl Trauben überleben, muss die Traubenzone zur Vermeidung von Fäulnis locker gehalten werden.
Ein komplettes Entfernen der Bögen macht nur bei sehr schwachwüchsigen Anlagen Sinn. Um die Zerstörung eventuell noch austreibender Beiaugen zu vermeiden, wird ein Ausbrechen geschädigter Triebe an der Bogrebe nicht empfohlen. Falls abgestorbene und bereits eingetrocknete Blätter bzw. Triebspitzen nicht von selbst abfallen, können diese entfernt werden, um später den Botrytisdruck zu senken. In Anlagen, in denen die Schädigung so stark ist, dass keine Geiztriebe oder Beiaugen austreiben, erfolgt die Wiederbegrünung aus schlafenden Augen aus dem Altholz (Bild 5). Dann muss der Rebschnitt 2012 mit diesen Wasserschossen erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass überzählige, nicht traubentragende Triebe entfernt werden, damit die Fruchtbarkeit in den sich im Juni und Juli ausdifferenzierenden Winterknospen durch ausreichend Lichteinfluss positiv beeinflusst wird.
Alle traubentragenden Triebe sind natürlich sorgsam und rechtzeitig im Drahtrahmen zu fixieren, damit diese, z.B. bei Wind, nicht abbrechen können. Ziel der Weinbergsarbeiten 2011 muss sein, so kostengünstig wie möglich zu wirtschaften. Jeglicher unbegründete Aktionismus mit Blattdüngern, unnötiger Bodenbearbeitung oder auch übertriebener Laubarbeit in traubenlosen Beständen ist zu vermeiden. Der Pflanzenschutz sollte in erster Linie darauf abzielen, ausreichend Blattmasse für eine gute Holzreife zu sichern. Dort wo kein oder nur wenig Ertrag zu erwarten ist, sollte die Wuchskraft durch Verzicht auf Düngung und Verzicht auf unnötige Bodenbearbeitung nicht unnötig gefördert werden. Bereits abgeschlossene Hagelversicherungen sind auf Reduzierung zu überprüfen.
Sofern sich neben nicht erfrorenen Gescheinen aus Beiaugen oder Wasserschossen ebenfalls noch traubentragende Triebe entwickeln, werden die Früchte in ihrer Reifeentwicklung sehr unterschiedlich sein. Vermutlich wird dann eine gestaffelte Lese nötig.
Komplett geschädigte Anlagen, bei denen ohnehin im Verlauf der nächsten 1-3 Jahre die Rodung geplant war, sollten, um Bewirtschaftungskosten zu sparen, bereits jetzt gerodet werden. Die Rodung ist in der Weinbaukartei zu melden. Auch für in der Weinbaukartei als gerodet gemeldete Anlagen kann in Baden-Württemberg bis 31. Dezember 2011 für die Pflanzung im Frühjahr 2012 ein Umstrukturierungsantrag gestellt werden.
Bei geschädigten zweijährigen Junganlagen, bei denen im oberen Bereich des Stämmchens kein Austrieb mehr erfolgt, muss vom Kopf ein neuer Stamm hochgezogen werden. Damit der neue Stamm nicht zu mastig wird, sollten erstmal möglichst mehrere Triebe belassen werden. Bei einjährigen Junganlagen ist zu erwarten, dass aus dem Kopf ein Wiederaustrieb erfolgt.
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