Regen: Rettung in letzter Minute
Landwirtschaft und Weinbau haben sich über den kräftigen Ende-Juni-Regen mindestens genauso gefreut wie die deutschen Fußballmannschaften in Polen und Russland über ihre Siege. Vor zu großer Euphorie warnt aber sowohl der Bundestrainer als auch die Weinbauberatung, obwohl – wenn man die frostgeschädigten Flächen ausblendet, sieht es ja gut aus. Der nachhaltige Regen (30 – 50 Liter je m²) ohne Unwetterpotenzial hat auch Bodenschichten erreicht, in denen die Reben ihren Hauptwurzelhorizont haben. Das war Rettung in letzter Minute, nachdem bereits jüngere Bestände Trockensymptome gezeigt haben.
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Nun kann erst einmal für mindestens die kommenden zwei bis drei Wochen auf Wassergaben verzichtet werden. Und dann sieht man weiter! Wie sagte schon Sepp Herberger: „Das nächste Spiel (Der nächste Herbst) ist immer das (der) Schwerste.“
Die nur kurzzeitig unterbrochenen sommerlichen Bedingungen und jetzt noch der Regen lassen die Reben und Trauben in rasantem Tempo weiter wachsen. Es zeigt sich jetzt schon, dass mit recht kompakten Trauben zu rechnen ist. In frostgeschädigten Weinbergen haben die Nachzügler meist auch schon mindestens Schrotkorngröße erreicht. Wo noch nicht geschehen, sollte die Traubenzone schnellstmöglich teilentblättert werden. Das gilt besonders für rote Sorten auch im Hinblick auf Vorbeugung gegen Kirschessigfliege.
Das Risiko von späteren Sonnenbrandschäden steigt, je später die Entblätterung stattfindet. In sehr weit entwickelten Trollinger Beständen (Terrassen) besteht unter Umständen bereits jetzt angesichts der gemeldeten Temperaturen eine gewisse Gefahr für Sonnenbrand. Angesichts der aktuellen Bodenfeuchte und der erwarteten Traubenkompaktheit sollte auf offene Bodenbearbeitung verzichtet werden. Auch das ist ein wichtiger Aspekt für die Traubengesundheit im Herbst.
Dort wo das Traubenteilen geplant ist, sollte nicht mehr lange zugewartet werden. Beerenverletzungen sind aktuell noch kein Problem. Ab Reifebeginn und damit eingelagerter Süße ist diese Premiummaßnahme bei kompakteren Sorten nicht mehr sinnvoll.
Bei sehr lockeren Trauben könnte mit einer spitzen Schere auch noch später geteilt werden. Das erfordert aber mehr Sorgfalt und ist zeitaufwändiger. Die Rebanlagen sind weitgehend sehr gesund. Peronsopora ist in behandelten Anlagen immer noch nur vereinzelt zu finden.
Inwieweit der Ende-Juni-Regen Infektionen verursacht hat, hängt davon ab, wann zuvor ein Schutzbelag aufgebracht wurde.
Bezüglich Oidium sind dieser Tage erste Meldungen über vereinzelten Beerchenbefall eingegangen. Sollte sich beginnender Befall zeigen, muss schnell reagiert werden. Dazu weiter unten mehr dazu.
Probleme bei zweijährige Anlagen
Die Rebstöcke von 2016er Pflanzungen sind am unteren Stammansatz intensiv zu prüfen. Sehr wahrscheinlich bedingt durch den Spätfrost am 20 April sind bei überraschend vielen zweijährigen Reben starke Stammschäden (Aufreißungen und „Löcher“) aufgetreten. Teilweise ist dies bereits an der Laubfärbung oder bereits an abgestorbenen Pflanzen erkennbar. Aber auch scheinbar gesunde Reben können Stammschäden aufweisen, die sich dann erst in den nächsten Jahren, vermutlich bei dem ersten richtigen Ertrag, negativ bemerkbar machen. Wird ein Stammschaden festgestellt, sollte, falls vorhanden, ein neuer Trieb als Stammersatz unmittelbar aus dem Kopfbereich oberhalb der Veredlungsstelle hochgezogen werden.
Leider wurden die meisten potenziellen Ersatzstämmchen bereits ausgebrochen, bevor das Schadensausmaß bekannt wurde. Wenn noch etwas nachtreibt, kann der Stock gerettet werden. Wenn kein Austrieb mehr von unterhalb der Schadstelle kommt, sollte im nächsten Frühjahr nachgepflanzt werden. Eventuell kann auch jetzt schon der massive Rückschnitt erfolgen mit dem Ziel, den Rebstock zum Neuaustrieb eventuell vorhandener schlafender Augen zu zwingen. Wenn jetzt nichts mehr austreibt ist auch im kommenden Frühjahr
nicht mehr damit zu rechnen.
Peronospora
Die Spritzabstände richten sich grundsätzlich nach dem Neuzuwachs, nach wetterbedingten Infektionsmöglichkeiten und nach dem Infektionsdruck in den Anlagen. Aktuell sind grundsätzlich Abstände zwischen 10 und 14 Tagen möglich. Immer natürlich mit Blick
auf gemeldete Gewitterfronten.
Die Abschlussspritzung findet überwiegend in der ersten Augustwoche statt. Entsprechend sollten die letzten, vermutlich drei, Behandlungen terminiert werden. Empfohlen werden jetzt Kontaktfungizide ohne Zusatz von
Phoshonaten. Ab jetzt sollten nur noch Mittel Verwendung finden, die weniger als 49 Tage Wartezeit aufweisen
Oidium
Die Anfälligkeit der Trauben nimmt jetzt bedingt durch die Traubenentwicklung ab. Entsprechend können die Spritzabstände in komplett gesunden Beständen etwas großzügiger gehandhabt werden. Allerdings ist zu beachten, dass sich in frostgeschädigten Anlagen auch noch Trauben der zweiten Generation in einem empfindlicheren Stadium befinden.
Sollte jetzt Beerenbefall gefunden werden, liegt die Infektion 2-3 Wochen zurück. Wichtig ist es, gefährdete Sorten und Standorte intensiv im Blick zu behalten. Für die beiden letzten Behandlungen werden die azolhaltigen Mittel Systhane oder Topas empfohlen. Für die in dieser oder nächster Woche geplanten Spritzungen kann jetzt aber auch noch einmal ein Mittel der neueren Generation (Talendo oder Vivando oder Kusabi oder Collis oder Dynali bzw. Vegas) zum Einsatz kommen. Dabei immer noch ganz penibel die Resistenzvorbeugung beachten. Auch das Präparat Vento Power ist jetzt möglich.
Bei der Abschlussbehandlung kann in gesunden Beständen auf ein Oidiummittel ganz verzichtet werden oder aber es kann ein Mittel mit dem Wirkstoff Kaliumhydrogencarbonat
(„Backpulver“) verwendet werden. Zu den zugelassenen „Backpulverpräparaten“ gehören die Mittel Kumar und Vitisan. Bezüglich möglicher oder nicht möglicher Mischpartner, besonders Blattdünger, immer genau die Gebrauchsanleitung beachten.
Sauerwurm
Der Flug der zweiten Generation des Traubenwicklers hat begonnen. Der Einbindige Wickler hatte bereits einen Flughöhepunkt. Bei der nächsten Behandlung kann daher in nicht verwirrten Gebieten ein Einsatz geplant werden. Ob ein zweiter Termin nötig wird, hängt vom Flugverlauf, insbesondere auch des Bekreuzten Wicklers ab.
Herbizideinsatz
Bei jedem Herbizideinsatz sollte der Minimierungsgedanke, wie auch bei allen anderen Pflanzenschutzmaßnahmen, im Vordergrund stehen. Wer so handelt, braucht kein schlechtes Gewissen haben, wenn ein zugelassenes Herbizid den Regeln entsprechend eingesetzt wird.
Zum Minimierungsgedanken gehört insbesondere:
- Keine Trauben und keine Blätter treffen
- Möglichst früh mit den Herbizidmaßnahmen abschließen.
- Das Behandlungsband möglichst schmal halten (30 -40 cm müssen genügen)
- Am Ende der Rebzeile (z.B. Anker als Grenze erkennen) mit der Behandlung aufhören
- Aus gegebenem Anlass wird darauf hingewiesen, dass auf öffentlichen Flächen liegende Wasserstaffeln, Wegränder und Böschungen ohne ausdrückliche Sondergenehmigung nicht behandelt werden dürfen. Auch Böschungen auf Privatgrund sind tabu!
Sonstiges und Mittelmenge
- Die Mittelmenge orientiert sich an der 4-fachen Basisaufwandmenge
- Bittersalz oder andere magnesiumhaltige Blattdünger können vorbeugend gegen Stiellähme zugesetzt werden.
- Viele Erzeugergemeinschaften haben eigene Vorgaben für den Bereich der Abschlussbehandlungen. Diese Vorgaben sind bindend und von den Mitgliedern zu beachten
- Die Gerätereinigung nach Pflanzenschutz darf niemals in der Nähe von Hofeinläufen stattfinden. Restbrühe oder Reinigungswasser mit Mittelrückständen darf keinesfalls in die Kanalisation, da Kläranlagen die Wirkstoffe nicht aus dem Schmutzwasser herausfiltern und dadurch die Mittel über die Kläranlage in Oberflächengewässer gelangen.
- Stöcke mit Esca und Schwarzholzkrankheit sind ab jetzt wieder sichtbar. Wenn gesunde Stockaustriebe an diesen Stöcken vorhanden sind, sollten diese Austriebe belassen und vor Herbizid geschützt werden. Dazu eignen sich zum Beispiel Pflanzröhrchen, die längsseits geschlitzt sind.
- Ohrwürmer lieben die Dunkelheit und „nisten“ sich daher mit Vorliebe in kompakten Trauben ein. Alle Maßnahmen, die eine Lockerung des Traubens mit sich bringen und Licht in die Laubwand lassen, wirken daher einer Besiedlung entgegen.
- Zu Sondermaßnahmen bei akutem Oidiumbefall kann auf der Internetseite des Landwirtschaftsamtes eine „Rezeptur“ nachgelesen werden. http://heilbronn.landwirtschaftsverwaltungbw.de/pb/MLR.ULBHN,Lde/Startseite/Fachinformationen/Fachinfo_Weinbau
Hinweise und Auflagen in den Gebrauchsanleitungen der Pflanzenschutzmittel, insbesondere zum Bienenschutz, sind immer zu beachten.
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Der nächste Hinweis erfolgt voraussichtlich am 12. Juli.
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