Im Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis
Mehr als 140 Personen kamen in die Aula am Bildungscampus Heilbronn, um sich beim zweiten Piwi Forum über die neuen Sorten zu informieren und sich auszutauschen. Neben Vorträgen und Diskussionen hatten die Besucher die Möglichkeit, mehr als 70 Weine aus neuen Sorten zu probieren.
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Im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbund-Projektes novisys ist es Prof. Dr. Ruth Fleuchaus von der Hochschule Heilbronn und ihrem Team auch bei dieser Veranstaltung gelungen, hochkarätige Referent*innen zum Thema pilzwiderstandsfähige Rebsorten zu gewinnen. In den Vorträgen wurde sowohl das Forschungsprojekt novisys vorgestellt, die Ergebnisse der Marktforschung an der Hochschule Heilbronn sowie die Sicht auf die neuen Rebsorten aus der Perspektive der Rebschulen. Darüber hinaus präsentierten Anja Gemmrich und Martin Koch ihre Umsetzung eines erfolgreichen Weinkonzepts für neue Sorten in ihren Familienweingütern.Die Teilnehmer*innen konnten bei der großen Verkostung mehr als 70 Weine aus neuen Sorten probieren und sich ein Bild über die Bandbreite machen. Zum Abschluss des PIWI Forums wurde eine Podiumsdiskussion zu den Themen der Vermarktung und der weiteren brancheninternen Zusammenarbeit geführt.
Das Forschungsprojekt novisys
Das Forschungsprojekt novisys untersucht die Kombination von neuen (pilzwiderstandsfähigen) Rebsorten mit dem Minimalschnitt im Spalier. Dabei sollen insbesondere die Vorteile dieser Kombination für die Umwelt und die Ersparnis bei der Arbeitszeit herausgestellt werden. Dr. Katja Herzog zeigte das breite Spektrum des Projektes. Dabei erläuterte sie, wie die Umstellung zu Minimalschnitt funktioniert und dass neue Sorten im Minimalschnitt besser gegen Extremwetter und Pilze geschützt sind. Die hohe Umweltverträglichkeit und die erhöhte Produktionssicherheit sind ebenfalls Erkenntnisse aus diesem Forschungsprojekt.
Neue Sorten in der Vermarktung
Prof. Dr. Ruth Fleuchaus präsentierte die Marktforschungsergebnisse der Hochschule aus dem novisys-Projekt. Sie zeigt deutlich, dass Konsument*innen besonders nach Geschmack und Genuss suchten, wenn sie Wein trinken. Emotionen verkaufen Wein. Die Produktionsweise interessiere die Konsument*innen dabei weniger. Nachhaltige Produkte sind und werden aber immer beliebter bei bestimmten Zielgruppen. Daher ist es sinnvoll, die Vorteile der neuen Sorten zu nennen. Dabei ist das richtige Maß entscheidend: Explizite, einfache Informationen helfen bei der Orientierung. Der Zusatznutzen Nachhaltigkeit kann Kund*innen helfen sich zu entscheiden, funktioniert aber nur bei Weinen, die auch geschmacklich ansprechend sind. Darüber hinaus spornte Fleuchaus die Betriebe dazu an, mutig zu sein, Neues zu wagen und die neuen Sorten an- und auszubauen: „Der Markt ist bereit, nutzen Sie die Chance neue, nachhaltige Weine anzubauen und auf den Markt zu bringen.“
Neue Sorten aus Sicht der Rebveredler
Die Erfahrungen von Anja Antes-Breit aus der Rebschule Antes sind deutlich: Im Ausland herrscht große Nachfrage nach den neuen Sorten. Die Rahmenbedingungen sind besser für die nachhaltigen Sorten. In Deutschland werden noch eher kleine Flächen mit den widerstandsfähigen Sorten bestockt. Die Betriebe äußern große Unsicherheit bei Anbau und Ausbau sowie bei der Vermarktung.
Antes-Breit stellt auch klar, dass ein gänzlicher Verzicht auf den Pflanzenschutz bei den neuen Sorten nicht funktioniere. Sogenannte Sicherheitsspritzungen, also ein bis zwei Pflanzenschutzmittelbehandlungen pro Jahr sind mindestens notwendig, um die Resistenzen der neuen Sorten zu schützen. Das sei immer noch mehr als 70 Prozent weniger als bei den traditionellen Sorten. Anja Antes-Breit sieht im zweiten PIWI Forum an der Hochschule eine Stütze für den sehr wichtigen Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis.
Erfolgreiche Konzepte für neue Sorten
Anja Gemmrich vom Familienweingut Gemmrich (Beilstein) stellte die Linie „Unkaputtbar“ vor, die sie im Rahmen ihrer Bachelorthesis an der Hochschule Heilbronn für die neuen Sorten konzipiert hat. Das auffällige Etikett und der positive, offene Umgang mit der Pilzwiderstandsfähigkeit funktionieren in diesem Fall sehr gut. Das Konzept ist modern, plakativ und soll besonders die junge Kundschaft ansprechen. Im Weingut Gemmrich ist der Anteil an neuen Sorten inzwischen auf 20 Prozent angewachsen. Deutlich über dem Gesamtdeutschen Anteil von noch nicht einmal drei Prozent der Rebfläche.
Martin Koch vom Weingut Abthof aus Hahnheim empfahl allen Anwesenden: „Raus aus der Deckung,“ und ermutigt die Betriebe ebenfalls, das Thema neue Sorten zu kommunizieren. Seine Linie „Auftakt“ für neue Sorten sticht mit einem sehr aufwändigen, edel-verspielten Design aus der Masse hervor. Für eine erfolgreiche Wein-Linie sei eines unabdingbar: Qualität! Im Weingut habe man Jahre gebraucht, um die Qualität zu erreichen, die man sich für die Weine vorstelle.
Neue Sorten, neue Wege, neue Chancen
Die Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Ruth Fleuchaus, Anja Antes-Breit, Klaus Herrmann von Wein + Markt und Josef Engelhart von PIWI international verdeutlichte, dass eine positive Kommunikation der neuen Sorten entscheidend ist. Der Zeitgeist der Nachhaltigkeit muss aufgegriffen werden, um die neuen Sorten weiter voran zu bringen. Dabei ist ebenfalls ein ehrlicher Umgang mit dem Thema Pflanzenschutz notwendig, auch in Bezug auf den ökologischen Anbau. Die Teilnehmer*innen diskutierten lebhaft mit und zeigten sich von den neuen, jungen Konzepten begeistert. Michael Pleitgen, der die Diskussion leitete, fasste die Erkenntnisse dahingehend zusammen, dass jedes Weingut letztlich sein eigenes Konzept für die eigene Zielgruppe finden müsse. Es gäbe nicht die eine Lösung für alle, aber für alle eine Lösung.
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