Ein Blick in die Anbaugebiete
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Nach einem warmen und sonnigen Frühjahr zeigten die Reben bereits im April die ersten grünen Triebe. Pünktlich zu den Eisheiligen Mitte Mai wurde es allerdings noch einmal frostig kalt, was insbesondere in Franken, Sachsen und Saale-Unstrut sowie in Teilen Württembergs starke Frostschäden und erhebliche Ertragsverluste mit sich brachte.
Frühe Weinblüte
Bereits Ende Mai entwickelten die Reben ihre Blüten - acht bis zehn Tage vor dem durchschnittlichen Wert der letzten 30 Jahre. Entsprechend früh startete die Hauptweinlese in vielen Anbaugebieten bereits Ende August. Die anhaltende Schönwetterperiode mit hochsommerlichen Temperaturen führte dazu, dass viele Sorten gleichzeitig reif wurden, was für Zeitdruck bei der Lese sorgte. Oftmals ernteten die Winzer in den frühen Morgenstunden oder mitten in der Nacht, um die für deutsche Weine typische Frische zu erhalten. Das Jahr 2020 wird den meisten als „Turbo-Herbst“ in Erinnerung bleiben, der oftmals schon im September beendet war.
„Insbesondere die roten Sorten profitierten von der warmen Witterung. In den deutschen Weinkellern reifen vielversprechende Rotweine, die sich quer durch die Anbaugebiete schon tiefrot, mit intensiver Beeren-Aromatik und samtiger Textur präsentieren“, so das Deutsche Weininstitut (DWI).
Am 30. November wurde der Jahrgang in einigen Regionen noch von einer erfolgreichen Eisweinlese gekrönt.
Erntemengen unterschiedlich verteilt
Die Erntemenge liegt mit rund 8,6 Millionen Hektoliter leicht über der des Vorjahres und zwei Prozent unter dem zehnjährigen Mittelwert. Die Quantität ist allerdings sehr ungleich verteilt. Während die fränkischen Winzer auf Grund von Spätfrösten und einer langanhaltenden Trockenperiode eine historisch kleine Ernte verzeichnen, die 38 Prozent unter dem langjährigen Mittel liegt, konnten die Winzer an der Hessischen Bergstraße ihren Ertrag um 31 Prozent steigern. In den beiden größten deutschen Anbaugebieten Rheinhessen und Pfalz sind mit einem Minus von einem Prozent bzw. einem Plus von sechs Prozent durchschnittliche bis leicht überdurchschnittliche Erntemengen zu erwarten. Baden und Württemberg schätzen jeweils ein Ernteminus von zehn Prozent.
Blick in die Anbaugebiete
Franken - 6.137 Hektar:
Die gute Traubenqualität ist für die Franken der größte Trost in Anbetracht einer historischkleinen Weinerntemenge. Die Winzer verzeichnen mit geschätzten 267.000 Hektolitern, dassind etwa 38 Prozent weniger als im langjährigen Mittel, die kleinste Ernte seit 35 Jahren.Das liegt auch daran, dass entlang von Main und Steigerwald in diesem Jahr gleich eine doppelte Herausforderung wartete: Erst sorgten Spätfröste im Mai insbesondere an derMainschleife für immense Schäden. Darauf folgte eine langanhaltende Trockenperiode im gesamten Anbaugebiet. Wie Beate Leopold vom Weinbauring Franken berichtet, seien dieFeuchtigkeitsreserven der Böden nach den Dürrejahren 2018 und 2019 aufgebraucht. „Wirhaben keine Sättigung des Bodens mehr“, sagt sie. Die Winzer wappnen sich deshalb für diekommenden Jahre. Gegen Frostnächte sollen in Zukunft Windmaschinen helfen. Und gegendie Trockenheit installieren die Winzer vielerorts Bewässerungssysteme. Wie sehr sich all die Anstrengung lohnt, zeigt der Blick auf die fränkischen Jungweine: Sie sind fruchtbetontmit animierender Säure.„2020 ist zwar ein kleiner Jahrgang, doch der Silvaner zeigt sich alsKlimagewinner und versteht es sehr gut, das fränkische Terroir mit der Trias in Szene zu setzen“, sagt Weinbaupräsident Artur Steinmann.
Saale Unstrut - 798 Hektar:
Im Anbaugebiet Saale Unstrut weiß man genau, was Cool Climate heißt – mit allen Vor- undNachteilen. Die Region befindet sich im Vergleich zu den anderen Anbaugebieten besondersweit nördlich und hat dadurch oft mit kühleren Bedingungen zu kämpfen. In diesem Jahrzeigten sich diese von ihrer unschönen Seite. Ein Frost Mitte Mai verursachte erhebliche Schäden. „Es hat an Ecken Frost gegeben, wo es noch nie Frost gab“, sagt der Präsidentdes Weinbauverbandes Hans Albrecht Zieger. Die Folgen zeigten sich dann im Herbst: Mitvoraussichtlich 32.000 Hektolitern ernteten die Winzer rund 30 Prozent weniger als in Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Damit würde 2020 selbst das bereits magereJahr 2019 um 14 Prozent unterbieten. Doch trotz enttäuschender Quantität versprechen dieJungweine aus Saale-Unstrut eine hohe Qualität. Dank des besonderen Klimas am 51 Breitengrad ist der Charakter der Saale-Unstrut-Weine unvergleichbar spritzig, geradlinigund lebendig.
Sachsen - 493 Hektar:
Mitte April konnte man in Sachsen vielerorts eine mysteriöse Beobachtung machen: Nachtsbrannten in manchen Weinbergen Kerzen und kontrollierte kleine Feuer. Die Winzer hattensie zum Schutz gegen die Frostnächte angezündet. Denn die Reben waren bereitsausgetrieben und somit den kalten Temperaturen schutzlos ausgeliefert. Andere Winzer versuchten, mit kleinen Windrädern in den Weinbergen die eiskalte Luft am Boden mitwärmeren Schichten darüber zu vermischen. Leider retteten derlei Maßnahmen nur einen kleinen Teil der Trauben, den ansonsten gab es im ganzen Anbaugebiet teils kräftigeFrostschäden. Im Sommer trafen auch noch lokale Unwetter mit Hagel die Weinberge, dazu kam die für 2020 typische Trockenheit. Es war wahrlich kein einfaches Jahr für SachsensWinzer. Die Folgen zeigten sich schließlich im Herbst: Die Lesemenge lag nach der letzten Schätzung bei einer Weinmosternte von 21.000 Hektolitern 19 Prozent unter derVorjahresmenge und fünf Prozent unter dem langjährigen Mittel. Ein Trost für die meisten Winzer war die Qualität der Trauben. Die Jungweine zeigen sich bereits ausgesprochenausbalanciert und harmonisch. So wird der Sachsenwein aus dem Jahr 2020 zu einer nochgrößeren Rarität, als er ohnehin schon ist.
Württemberg - 11.394 Hektar:
Die Württemberger Winzer wurden in diesem Jahr teilweise von Spätfrösten im Maigetroffen. In manchen Weinbergen sind alle Triebe erfroren. So waren die Rebanlagen von Beginn an geschädigt, was sich in der der Erntemenge des Anbaugebietswiderspiegelte. Sie liegt geschätzt bei 894.000 Hektolitern und damit rund zwei Prozentunter der bereits kleinen Ernte aus 2019. Im Vergleich zum langjährigen Mittel entspräche dies einem Minus von rund zehn Prozent. Dafür kam das warm-trockene Wetter demRebsortenspiegel des Weinbaugebiets entgegen. In Württemberg wachsen zu über 70 Prozent Rotweine, die unter sonnig-trockenen Bedingungen perfekt reifen. „Wir dürfen uns auf Rotweine mit langer Lagerkapazität freuen“, sagt Hermann Morast,Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg. Auch die Weißweine spiegeln dietolle Qualität des Leseguts wider, das mit hohen Zuckerwerten kerngesund geerntetwurde. Entsprechend hocharomatisch und intensiv fruchtig präsentieren sich dieJungweine, was für viele Sorgen und Herausforderungen entschädigt. „Das Jahr 2020 bleibt uns als ein Jahr mit sehr guten Qualitäten in Erinnerung“, sagt Morast.
Wie sich die Jahrgangsentwicklung in den einzelnen Anbaugebieten darstellt, erfahren Sie im Anhang.
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