Mittelalterreben, Gemischter Satz und Streuobst
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Mittelalterweinberg
Die Y-Burg in Stetten im Remstal ist ein Zeugnis früherer Zeiten, ebenso wie der historische Mittelalterweinberg zu ihren Füßen. Zwischen Trockenmauern hat Jochen Beurer vom gleichnamigen VDP-Weingut aus Stetten im Remstal historische Rebsorten angepflanzt, die es schon lange nicht mehr in Württemberg gab. In seinem Projekt "Rettet die Rebsorten - Rekultivierung mittelalterlicher Rebsorten im Remstal" beschäftigt sich der passionierte Winzer mit der mittelalterlichen Anbautechnik, dem Gemischten Satz in der 3-Schenkel-Technik und dem Pfahlweinberg. Im Rahmen der Veranstaltung wurde Beurers 2016er Gemischter Satz verkostet. Der Wein beinhaltet mehr als 20 verschiedene, weiße wie rote, historische Rebsorten, die er in seinem Mittelalterweinberg anbaut. Verarbeitet wurden unter anderem die Sorten Gelber Orleans, Weißer Heunisch, Roter Veltiner, Räuschling und der Blaue Affenthaler.
Neue alte Rebsorte aus 200-jährigem Bestand
Auch Matthias Braun aus Hemmingen präsentierte edle Tropfen seltener Rebsorten mit exotischen Namen wie dem Weißen Elbling, der noch heute an der Mosel angebaut wird. In Reinform ausgeschenkt wurde auch der Weiße Heunisch, der von Jochen Beurer im Gemischten Satz verarbeitet wird und in der Schweiz und Frankreich als Gwäss/Gouais bekannt ist oder früher in Siebenbürgen als Cotnari. Flächendeckend wurde schon im 16. Jahrhundert der Weiße Traminer am Maulbronner Eilfingerberg und unterhalb der Esslinger Burg angebaut, wo er als Esslinger Steuberwein gekeltert wurde. Verkostet wurde auch der Fränkische Burgunder und Arbst, eine alte Sorte aus Albanien und Montenegro, benannt nach dem Stamm der Aberesh, gefunden in einem alten Mischsatz in der Ortenau. Sensationell war der Fund der Sorte Blauer Scheuchner, der an der Badischen und Hessischen Bergstraße in 200-jährigen Rebbeständen vom Ampelographen Andreas Jung entdeckt wurde. Diese Sorte hätte in Deutschland keiner vermutet, denn sie ist identisch mit dem kalifornischen Zinfandel und dem Primitivo aus Apulien und stammt ursprünglich aus der slawischen Region.
Vitis Vinifera misera: Die Elende
In Württemberg waren seit dem Spätmittelalter vornehmlich die Rebsorten Heunisch und Elbling verbreitet, ab dem 17. Jahrhundert dann der Silvaner und die Putzscheere (Vitis Vinifera misera, übersetzt: die Elende) sowie der Urban. Ab dem 18. Jahrhundert dominierte dann der Trollinger.
Drei Ursorten
Unsere heutigen Sorten gehen allesamt auf die drei Ur- und Stammsorten Weißer Heunisch, Weißer Traminer und den Burgunder zurück. Letzterer ist sehr mutierfreudig und es gibt mittlerweile mehrere hundert Burgunder-Klone. Die bekanntesten sind der Spät-, Grau-, Weiß- und Frühburgunder, aber auch der Schwarzriesling, St. Lauren und Samtrot. Weniger bekannt sind die Burgunder Clevner, Bodenseeburgunder, Assmannhäuser, Blauer Arbst und das Möhrchen, welche teilweise ausgestorben sind, aber auch in verfallenen Weinbergen wiederentdeckt wurden. Und auch der Heunisch kommt in 119 Rebsorten wie dem Riesling, Lemberger, Chardonnay, Auxerrois und Elbling vor. Der Weiße Traminer ist ein Elternteil des Elblings sowie der historischen Sorte Räuschling und des bekannten Silvaners und auch des Grünes Veltiners.
Immenser Rückgang in der Sortenvielfalt
Im Laufe der Zeit ist die Rebsortenvielfalt stark zurückgegangen. Während vor 200 Jahren noch 750 Sorten bekannt waren und gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch rund 400 verschiedene Sorten in Rebschulen angeboten wurden, listet das Bundessortenamt heute noch 130 - 140 für den Anbau zugelassene Sorten. Grund des Rückgangs der immensen Zahl an historischen Rebsorten war zum einen die Reblauskrise gegen Ende des 19. Jahrhunderts, zum anderen die Reichssortenliste aus den 1920er Jahren sowie darauffolgende Flurbereinigungen.
Exkursion durch die Schlater Streuobstwiesen
Jörg Geiger versaftet für seine Weine, Seccos und Säfte keine Weintrauben, sondern ist Experte für die Veredelung von Streuobst. In seiner Manufaktur in Schlat verwendet er Obst von teilweise über 150 Jahre alten Baumriesen. Bekannt ist er unter anderem für seinen Schaumwein aus der Champagner Bratbirne aber auch für Sorten wie den Großen Rommelter, die Palmischbirne und die Grüne Jagdbirne. Des Weiteren präsentierte er die alten Apfelsorten Luikenapfel, Gewürzluike und die Goldparmäne. Eine Besonderheit von der Manufaktur Geiger ist, dass hier neben dem Wiesenobst auch die dort wachsenden Kräuter in die Priseccos des Betriebes einfließen.
Essen mit Hintergrundwissen
Der zweite Teil des Tages bildete ein Abendessen mit einem sechsgänge Menü, begleitet mit den flüssigen Produkten von Jörg Geiger und den Sponti-Weinen von Jochen Beurer. Auch hier präsentierte Matthias Braun interessante Hintergrundinformation zur Historie der kredenzten Rebsorten. Beispielsweise wird der Riesling bereits als historische Rebsorte eingestuft, denn er wurde 1435 erstmals urkundlich in Rüsselsheim erwähnt. Auch der Grauburgunder ist schon länger bekannt. Namensgeber für den auch als Ruländer bekannten Weins ist der Kaufmann Ruland, der die Sorte 1711 in einem verwilderten Garten bei Speyer entdeckt hat. Der in Württemberg beliebte Lemberger hingegen ist erst seit 1853 bekannt und stammt ursprünglich aus der Untersteiermark. Und woher stammt eigentlich der Trollinger? Die wenigsten dürften wissen, dass er gemeinsam mit dem Urban über Italien ins Schwabenländle gekommen ist.
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