Kontrollierte Wildheit
Wild, aber nicht willkürlich: Familie Merkle hat Hefen aus dem Naturraum Ochsenbach isoliert und macht daraus ein System. „Wildspontan“ heißt ihr Weg – kontrolliert, klar und regional verankert.
von Natalie Krampfl erschienen am 26.06.2025In Ochsenbach bewirtschaftet Familie Merkle ihre Weinberge mit klarem Profil, moderner Technik und einem besonderen Blick für die mikrobiologischen Details. Was 1988 mit Anja und Georg Merkle begann, ist heute ein zwölf Hektar starker Familienbetrieb, fest verankert in der Einzellage Ochsenbacher Liebenberg. Jeder Rebstock steht in maximal zwei Kilometern Entfernung zum Weingut.
Schon Georgs Vater Karl bewirtschaftete hier fünf Hektar – damals noch für die Genossenschaft. „Die Flächen habe ich vom Vater übernommen“, so Georg Merkle. Mit der Gründung des eigenen Weinguts, ohne Gebäude und Maschinen, setzte die Familie früh auf Selbstvermarktung und Eigenständigkeit.
Sortenvielfalt als Stärke
In den Weinbergen dominiert der Rotweinanteil mit etwa 70?%. Die restlichen 30?% entfallen auf weiße Sorten. Diese Verteilung eröffnet vielfältige Spielräume im Keller. „Man hat sehr viele Möglichkeiten, sich an den Verkauf mit diesem Sortenspektrum anzupassen“, sagt Georg Merkle. Denn aus den roten Trauben entstehen im Keller nicht nur Rotweine: Auch Rosé, Blanc de Noirs und Crémant gehören zum festen Repertoire.
Wir sind mit unserem Rotwein-Anteil unglaublich flexibel Georg Merkle
„Wir sind mit unserem Rotweinanteil unglaublich flexibel“, erklärt der Winzer. Diese Flexibilität wird genutzt, um jedes Jahr neu auf Markttrends, klimatische Gegebenheiten und qualitative Unterschiede im Lesegut zu reagieren. Insbesondere bei den Crémants verfolgt der Senior-Chef einen eigenen Stil. Er sagt: „Ich mag Crémants, die etwas griffiger sind und nicht ganz so schlank und säurig. Wir bauen den brut aus – das ist unser Markenzeichen.“
Der Keller ist modern, funktional und auf Effizienz ausgerichtet. Alles wurde 2019 ebenerdig gebaut ohne Stufen, ohne verwinkelte Ecken. Jeder Gärtank lässt sich separat kühlen oder beheizen, computergesteuert. Viele kleinere Behälter ermöglichen es, unterschiedlichste Partien getrennt auszubauen. Die Reinigung ist unkompliziert. Das Ganze ist so konzipiert, dass eine Person den Keller im Zweifel auch allein bearbeiten kann, eine nicht zu unterschätzende Eigenschaft in einem kleinen Betrieb.
Dritte Generation
Heute ist Sohn Sandro Merkle in dritter Generation mit im Betrieb. Einer seiner Impulse: die mikrobiologische Vielfalt der eigenen Weinberge gezielt für die Aromatik der Weine zu nutzen?– als sensorische Handschrift. Seit zwölf Jahren vergärt das Weingut Merkle alle Weine ausschließlich mit selbst isolierten Wildhefen. Der Weg dorthin war ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, getragen von der Neugier, mehr aus den eigenen Möglichkeiten herauszuholen.
1Wer Weine mit klarer Handschrift und regionalem Ausdruck erzeugen will, sucht irgendwann nach individuelleren Lösungen. Genau diese Überlegung führte zur Entwicklung des „Wildspontan“-Projekts: Hefen aus der direkten Umgebung werden mikrobiologisch erfasst, charakterisiert und anschließend gezielt eingesetzt. Die Methode entstand in enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Brysch-Herzberg, von der Hochschule Heilbronn.
Die Wildspontan-Hefen
„Wir haben 2010 damit begonnen, aktiv im Freiland nach Hefen zu suchen“, so Georg Merkle. Sandro ergänzt: „Es gab mehrere Herausforderungen, die wir bis zum endgültigen Produkt hatten.“ Die gezielte Suche startete in Flächen, die ohne Trester bewirtschaftet wurden. So sollte sichergestellt werden, dass ausschließlich natürlich vorkommende Hefen erfasst werden. Obwohl Traubenschalen viele Mikroorganismen tragen, fanden sich zunächst nur sehr wenige Stämme mit ausreichender Gärfähigkeit.
Im Labor konnten schließlich mehrere dieser Hefen identifiziert und mikrobiologisch klassifiziert werden. Die ersten praktischen Gärtests liefen vielversprechend, allerdings nur in kleinen Maßstäben. Als dieselben Stämme im Keller auf größere Mostmengen trafen, blieb die Gärung zunächst aus. Erst nachdem die Gärbedingungen angepasst wurden, zeigten die Hefen Aktivität. „Die Wildhefen mögen es einfach wärmer“, erklärt der Senior-Chef.
Aktuell setzt der Betrieb zehn ausgewählte Stämme gezielt ein. Dafür wurde ein eigener Bereich eingerichtet, in dem die Kulturen unter sterilen Bedingungen vermehrt werden. Je nach gewünschtem Stil übernimmt jede Hefe dabei eine spezifische Rolle. Einige fördern gezielt die Freisetzung von Aromen zu Beginn der Gärung, andere sichern den stabilen Abschluss bis zur Trockenheit.
Mehr Ochsenbach geht nicht Sandro Merkle
Der Wildspontan-Ansatz ist heute fest in die Philosophie des Betriebs integriert. Nicht als technisches Detail, sondern als konsequente Methode, um Herkunft differenziert ins Glas zu bringen. Die sensorischen Unterschiede der Hefen sind klar erkennbar. „Ich finde, dass der sensorische Durchschlag unserer Hefen beim Weißwein deutlicher ist als beim Rotwein“, so Georg Merkle.
Trotz gleichem Lesegut variieren die Aromen je nach Hefestamm – von Zitrusfrische über kräuterwürzige Noten bis hin zu reifer Gelbfrucht. Dieses Potenzial wird bewusst genutzt. „Mehr Ochsenbach geht nicht“, sagt Sandro Merkle. Genau das macht die Weine der Familie so einzigartig.
Weingut Merkle
Blankenhornstraße 12-14, 74343 Sachsenheim-Ochsenbach
Telefon: 07046 7677
Internet: www.weingut-merkle.de
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