Rebschutzhinweis Sonderausgabe – Weinbauberatung Bad Mergentheim
Die Weinbauberatung Bad Mergentheim verabschiedet sich für diese Vegetationsperiode mit einem Sonderhinweis zur Kirschessigfliege, zur Vogelabwehr und zum Wespenfraß.
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Kirschessigfliege
Die seit 2011 in Deutschland auftretende Kirschessigfliege hat in diesem Jahr in vielen Gebieten im Obstbau (z.B. Kirsche, Sauerkirsche, Pflaume, Himbeere und Brombeeren) zu wirtschaftlichen Schäden geführt. Rote und gefärbte Früchte sind grundsätzlich besonders gefährdet. Aber auch an hellen Früchten (z.B. Mirabellen) wird mittlerweile von Befall berichtet. Mit einem kritischen Befallsverlauf muss daher auch in den Weinbergen gerechnet werden. Besonders gefährdet scheint derzeit der Bereich Öhringen / Bretzfeld zu sein, da hier in diesem Jahr bereits stärkerer Befall in Obstanlagen aufgetreten ist. Im Kocher-, Jagst- und Taubertal kann das Vorhandensein der Kirschessigfliege nicht ausgeschlossen werden.
Die Eiablage erfolgt frühestens ab Weichwerden bzw. ab Farbumschlag der Beeren, aus Südtirol wird von einer Eiablage an roten Rebsorten ab etwa 60°Oe berichtet. Erste Befallsmeldungen aus Rebflächen in umliegenden Gebieten (Lkr. Heilbronn, Kraichgau, Südbaden) sind inzwischen bekannt.
Im Gegensatz zur Essigfliege, welche bereits geschädigte Früchte befällt, greift die Kirschessigfliege in der Reifephase gesunde Trauben an. Die Weibchen legen mittels eines sägeartigen Apparates die Eier unter die Beerenhaut. Durch den Fraß der nach wenigen Tagen aus den Eiern schlüpfenden Larven besteht die Gefahr schneller Fäulnis in Kombination mit Essigbildung. Durch die hohe Vermehrungsrate und bei Wegfall von alternativen Obstsorten steigt der Druck auf die Rebbestände! Das Vorliegen von Kirschessigfliegen ist nur an den Erwachsenen Fliegen, an den Puppen oder über eine Bestimmung der Eiablage zu erkennen. Maden sind dafür ungeeignet und müssen durchgezüchtet werden.
Durch die schon vorhandenen Verletzungen von Insekten oder Risse durch Platzen von Beeren in den Frühsorten sind parallel auch schon die normalen Essigfliegen vorhanden. Hier müssen Verwechslungen auf jeden Fall ausgeschlossen werden. Die männlichen Kirschessigfliegen sind sehr gut an den schwarzen Punkten auf den Flügeln zu erkennen, je Flügel ein Punkt am Flügelende. Das Weinbauinstitut hat eine Broschüre zum Erkennen von Kirschessigfliegenbefall erstellt, die mitversendet wird.
Mit Hilfe von Köderfallen (Essigwasser in Plastikbechern) wurden durch die LVWO Weinsberg bereits ab Juni auch in Rebflächen erste Tiere gefangen. Zur Zeit steigen die Fangzahlen in den Rebanlagen deutlich an.
Folgende Lagen mit roten Rebsorten sind besonders gefährdet:
- räumliche Nähe zu (Wild-) Früchten
- Gärende Früchte in der Umgebung, auch durch spät ausgedünnte Trauben
- Fäulnis in der Rebanlage
- Schatten und Feuchtigkeit in der Rebanlage, z. B. durch extensive Laubarbeit, Umkehrerziehung, Minimalschnitt, Waldrandlagen
Die nachfolgend beschriebenen außergewöhnlichen Maßnahmen sind im hiesigen Weinbau seither nicht üblich. Angesichts drohender Qualitäts- und Mengeneinbußen ist das Thema aber sehr ernst zu nehmen. Die Verbände haben in der vergangenen Woche die Vorgehensweise mit den Weinbauinstituten und der Weinbauberatung diskutiert. Im Bedarfsfall wird nach vorherigem Befallsmonitoring eine Behandlung empfohlen. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist aber zwingend mit den Vermarktungsbetrieben abzustimmen! Achten Sie auf die Hinweise ihres Vermarktungsbetriebes!
Es ist auf jeden Fall sinnvoll (am besten in örtlicher Absprache), das Vorhandensein des Schädlings zu ermitteln, bevor sichtbare Fäulnisherde entstehen. Dazu können Köderfallen aufgehängt werden, die selbst einfach hergestellt werden können. Eine genaue Beschreibung des Beraterkollegen Neumann (LRA Heilbronn) ist diesem Hinweis beigefügt.
Hinweise zur Bekämpfung:
Indirekte Bekämpfungsmaßnahmen
Die Kirschessigfliege bevorzugt feuchtwarme und schattige Gebiete. Eine gut belüftete und besonnte Traubenzone stellt deshalb ungünstigere Bedingungen dar. Auch kurz gehaltene Begrünungen bieten ihr weniger Rückzugsmöglichkeiten am Boden. Darüber hinaus sollten, im Falle einer Ausdünnung, die Trauben nicht auf dem Boden liegen bleiben, sondern umgehend gemulcht oder besser noch aus der Anlage entfernt werden. Am allerbesten ist es, Ausdünnmaßnahmen vor Eintritt der Traubenreife vorzunehmen. Kirschessigfliegen legen ihre Eier zwar gewöhnlich nicht auf verrottendes Fruchtmaterial, werden jedoch durch den entstehenden Gärgeruch zusätzlich in die Anlage gelockt.
Direkte Bekämpfungsmaßnahmen
Im Weinbau ist seit April 2014 das Mittel Spin Tor gegen Essigfliegen zugelassen (Art. 51). Eine erste Behandlung ist erst dann zu empfehlen, wenn erwachsene Kirschessigfliegen an den Trauben beobachtet werden bzw. erste Eiablage nachgewiesen wird. Das Mittel trifft vor allem die erwachsenen Fliegen, daneben auch die Larven. Bitte beachten Sie sorgfältig die genauen Anwendungsbestimmungen (Bienengefährlichkeit, Wartezeit usw.). Die Anwendung sollte die Traubenzone und Laubwand einschließen. Eine vorbeugende Behandlung auf die grünen Trauben ist nicht empfehlenswert. Weitere Bekämpfungsmethoden werden durch die Weinbauanstalten geprüft.
Bitte beachten Sie bei einer geplanten Behandlung mit SpinTor:
- Aufwandmenge 160 ml/ha
- max. 2 Anwendungen im Abstand von mindestens 7 Tagen
- Wartezeit: 14 Tage. Eine Ernte darf unter keinen Umständen vor Ablauf der Wartezeit erfolgen.
- Das Mittel ist bienengefährlich (B1), daher blühende Bestände unbedingt vorab mulchen!
- Das Befahren jeder Gasse verbessert die Wirkung. Alternativ bei Befahrung jeder zweiten Gasse nicht zu schnell fahren.
- Die Behandlung sollte möglichst in den Abend hinein durchführt werden, da hier die Fliegen aktiver sind und damit von der Brühe besser getroffen werden
- Für eine möglichst effiziente Wirkung, sollten die Behandlungen in den Gewannen von allen Bewirtschaftern möglichst zeitnah erfolgen, es sei denn, einzelne Anlagen sind in der Reife deutlich voraus (z.B. Acolon neben Schwarzriesling). Örtliche Absprachen bieten sich an.
Aufgrund der schnellen Reproduktionsrate der Kirchessigfliege können mehrere Behandlungen notwendig werden (erneute Behandlung nach 7 Tagen). Auch nach dem Einsatz des Insektizides sind die Weinberge weiterhin auf neuen Befall zu kontrollieren. In behandelten Anlagen muss bei auftretender Fäulnis und damit verbundener vorzeitiger Lese die Wartezeit unbedingt eingehalten werden.
Aus dem Obstbau kommt das Zusatzmittel „Combi protec“. Dies ist ein zulassungsfreier Hilfsstoff. Sie können dieses Mittel in der entsprechenden Menge und Anwendung mit Spintor kombinieren. Dies ist rechtlich zulässig, hierzu bedarf es keiner gesonderten Genehmigung (Quelle: Rundschreiben 12/14, Bad. Weinbauverband). Sie handeln zwar rechtlich sicher, aber auf eigenes Risiko. Es liegen derzeit keine aussagekräftigen Untersuchungsergebnisse aus dem Weinbau vor. Informationen zum Produkt und die Anwendungsempfehlungen des Herstellers erhalten Sie auf der Internetseite des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwaldes im Infoservice Pflanzenschutz Weinbau Markgräflerland („Anwendungstechnik Ködermethode“).
Die Anwendung von nicht zugelassenen Mitteln ist unbedingt zu unterlassen.
Die Kirschessigfliege kann zum echten Problem werden. In diesem Hinweis sind die besten derzeit verfügbaren Möglichkeiten genannt. Jetzt aber bereits von einer Katastrophe für alle Rotweine zu sprechen, ist reine Panikmache und nicht hilfreich.
Mitteilung zur Vogelabwehr
Um die reifenden Trauben vor Vogelfraß zu schützen sollten möglichst frühzeitig geeignete Maßnahmen ergriffen werden, damit sich die Vögel nicht an den Fraßplatz Weinberg gewöhnen.
Angesichts zunehmend fehlender Akzeptanz bei der Bevölkerung muss der Einschaltzeitpunkt jedes einzelnen Apparates genau abgewogen werden. Vergrämungsfähig sind am ehesten Starenschwärme. Amseln oder sonstige Einzelvögel können als Gebüschbewohner akustisch oft nicht ausreichend vergrämt werden. Dagegen hilft meist nur lokal begrenztes Einnetzen. Gegen Starenschwärme wirkt die Vergrämung am besten, wenn die Apparate erst aktiviert werden, wenn die Schwärme beginnen in Weinberge einzufliegen. Bei jedem Apparat muss ganz besonders geprüft werden, ob die vorgeschriebenen Mindestabstände zu Wohnbebauung eingehalten sind und nicht noch vergrößert werden können. Auf alle Fälle müssen die Geräte bei Dämmerung und in der Nacht ausgeschaltet werden. Vielleicht sollte auch geprüft werden, ob es nicht Sinn macht, aus Lärmemissionsgründen die Vogelabwehr durch Weinbergshut oder andere Art der Vergrämung zu ersetzen Die Anzahl der Anlagen muss auf das unumgänglich notwendige Maß beschränkt werden. Der Abstand der einzelnen Anlagen zueinander orientiert sich an der Reichweite der Schallsignale.
Bei Geräusch erzeugenden Vogelabwehranlagen handelt es sich um immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. Derartige Anlagen unterliegen den Bestimmungen des § 22 Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), wonach sie so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und dass nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Hier nochmals die Zusammenfassung der amtlichen Hinweise zur Vogelabwehr:
Akustische Geräte: Besonders die automatisch arbeitenden Schreckschussapparate können zu Beeinträchtigungen in angrenzenden Wohngebieten führen. Die Betreiber solcher Anlagen müssen deshalb folgendes beachten:
Die erlaubten Abstände der Schussapparate in der Nähe geschlossener Wohnbebauung sind abhängig:
- 1. von der Schussanzahl je Tag und
- 2. von der Art der Wohnbebauung
Bei einer Schussanzahl von max. 100 pro Tag (Abstand der Einzelschüsse mind. 8 Minuten), ist:
- Zu reinen Wohngebieten einen Mindestabstand von 1000 m einhalten
- Zu Gebieten mit vorwiegend Wohngebäuden aber auch Werkstätten oder Büros mindestens 800 m Abstand
- Zu Gebieten, in denen neben Wohngebäuden auch sonstige Nutzungen einschließlich Landwirtschaft vertreten sind, also sog. Misch- und Dorfgebiete, sind mindestens 500 m Abstand einzuhalten
- bei weniger als 40 Schuss/Tag könnten diese Abstände auch noch etwas verringert werden
- auch bei Entfernungen von mehr als 1000 m zu geschlossenen Wohnbebauungen gilt das Minimierungsgebot bzgl. Schussfrequenz und Anzahl der aufgestellten Geräte
- im Sinne vieler Weinwanderer sollten besonders an frequentierten Wegen die Schreckschussapparate in zumutbarer Entfernung aufgebaut werden. Generell hilfreich sind auch Hinweisschilder auf die Apparate selbst und warum die Geräte betrieben werden müssen
- Kurze Schussfrequenzen sind wegen Gewöhnungseffekt ohnehin sinnlos
- Die Rohrmündung bzw. der Lautsprecher muss immer von den Häusern weggerichtet werden.
- Apparate müssen spätestens bei Einbruch der Dunkelheit abgestellt werden, da während der Nacht kein Vogelfraß zu erwarten ist.
- Morgens die Geräte nicht vor Tagesanbruch einschalten
Beim Aufhängen von Netzen sind folgende tierschutzrechtlichen Belange zu beachten:
- Maschenweite höchstens 30 mm
- Fadenstärke mindestens 1mm
- Netze straff spannen
- es dürfen keine losen Netzteile auf dem Boden liegen
- keine grünen und schwarzen Netze und keine Kunststoffgespinste verwenden
- Netze windsicher befestigen
- nach der Traubenlese Netze unverzüglich entfernen
- Reste von Netzen dürfen nicht im Gelände liegen bleiben
Verstöße gegen diese Vorschriften des Tierschutzgesetzes sind Ordnungswidrigkeiten, die mit hohen Bußgeldern geahndet werden können.
Wespenfraß
Am wirkungsvollsten kann dem Wespenfraß mit einer dichten Seitenbespannung der Traubenzone mit engmaschigen Netzen vorgebeugt werden. Auch hier sollte die Ausbringung frühzeitig erfolgen, damit durch den Duft angefressener Beeren nicht zusätzlich weitere Wespen angelockt werden.
Die Aushängung von Köderfallen am Rand der Parzellen kann den Einflug verhindern helfen. Die Köderflüssigkeit sollte aus ca. 50 ml Weinessig, 50 ml Wein, 150 ml Bier, ca. 300 g Zucker und ein paar Tropfen Netzmittel (Spülmittel) je Liter bestehen. Diese Köderflüssigkeit wird etwa ein Drittel hoch in Flaschen mit weiten Öffnungen gefüllt und am Parzellenrand, an dem die Wespen einfliegen, aufgehängt. Die Köderflüssigkeit ist nach einigen Tagen zu erneuern.
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