Bazillen zum Schutz gegen Pilze
An den „Kontrollen“ sieht es verheerend aus. Die Blätter überwiegend braun, die Trauben – wenn überhaupt noch vorhanden – zu unförmigen Mumien verkümmert. „Kontrolle“ markiert die Bereiche in den Reben, die man gar nicht geschützt hat gegen die typischen Krankheiten und Schädlinge. Auch in diesem Jahr hat die ZG Raiffeisen in ihrem großangelegten Weinbauversuch auf dem Aspichhof nahe Bühl zahlreiche Mittel auf ihre Wirksamkeit getestet. Erstmals kamen auch so genannte Bio-Rationals zum Einsatz.
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Zahlreiche Winzer und Weinbau-Interessierte nutzten 25. August die Führungen mit den Produktionsmanagern der ZG Raiffeisen durch die Versuchsreihen, um sich über etablierte, neue und kommende Präparate zu informieren, Zeitpunkte und Häufigkeit der Behandlungen zu diskutieren und ihre eigene Strategie in diesem Jahr mit den vorgestellten Varianten zu vergleichen. Sie haben es in dieser Saison sowohl mit dem echten als auch mit dem falschen Mehltau zu tun. Oidium und Peronospora sind neben Botrytis nach wie vor die Ertragskiller Nummer eins im Weinbau – nicht umsonst stehen diese Rebkrankheiten im Fokus des Dauerversuchs auf dem Aspichhof.
ZG Raiffeisen-Weinbau-Expertin Katja Pfeifer ist im Nebenerwerb selbst auch Winzerin. Als solche ist sie über den Krankheitsdruck natürlich nicht erfreut. „Für den Versuch hier ist das laufende Jahr aber optimal“, erläutert sie ihrer Gruppe. Denn kein Befall würde auch heißen: keine neuen Erkenntnisse. Auch das Wetter, ein Faktor für die Entstehung oder das Ausbleiben von Rebkrankheiten, habe in diesem Jahr insofern gut mitgespielt, dass „alles dabei war“: Kühle und Nässe im Frühjahr, Hitze und Trockenheit erstmals im Juni.
Die gute Nachricht für die Winzer: Es gibt Behandlungsstrategien, die in den Versuchsreihen 2019 eine Ertragssicherung von bis zu 100 Prozent erzielen. Diese greifen ausnahmslos auf synthetische Präparate zurück. Der Druck jedoch aus Politik und Bevölkerung auf Industrie und Erzeuger wächst. Erst kürzlich formulierte die Landesregierung in einer Kabinettsvorlage das Ziel, den Einsatz von konventionellen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 um bis zu 50 Prozent zu reduzieren.
Hersteller bieten Alternativen
„Wir müssen uns mit Alternativen beschäftigen“, sagt Alfred Seiter, Winzer aus Bühl. So sieht es offenbar auch die Industrie. „Immer mehr Firmen, darunter auch die ganz großen, beschäftigen sich mit biologischen Präparaten und kommen damit auf uns zu“, berichtet Pfeifer. Momentan hätten jedoch kleinere Hersteller noch die Nase vorn. Die auf dem Markt noch neuen Bio-Rationals werden in Kombination mit konventionellen Mitteln eingesetzt. Mit ihren rein natürlichen Wirkstoffen sind sie so konzipiert, dass sie die Reben widerstandfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten machen.
Insgesamt sechs Bio-Rationals hat die badische Hauptgenossenschaft gegen Oidium und Peronospora eingesetzt, zwei davon stehen noch vor der Zulassung. Die Wirkungsweise der Präparate ist unterschiedlich. In einem Fall wird ein spezieller Bazillus-Erreger mit dem Produktnamen „Taegro“ ausgebracht, der die Blattoberflächen besiedelt und dem echten Mehltau damit den Garaus macht. Der Bazillus selbst richtet keinen Schaden an. Bei dem Produkt „Romeo“ sorgen Silikate und Hefezellen dafür, dass sich eine Schutzschicht um die Blätter bildet. Die Hefe in „Botector“ ist sogar in der Lage, mikroskopisch kleine Rillen in der Traubenhülle – potenzielle Eintrittspforten für Schädlinge und Fäulnis – quasi zu versiegeln.
Angesichts der im Versuch erzielten Wirkunsgrade von maximal 75 Prozent sind die Winzer noch zurückhaltend. Pfeifer und ihre Kollegen von der ZG Raiffeisen sind jedoch zufrieden. „Die Bio-Rationals wurden unter den gleichen Rahmenbedingungen getestet wie synthetische Präparate“, erläutert Jochen Konradi seiner Gruppe bei der Versuchsführung. Behandlungen mit biologischen Produkten müssten aber häufiger durchgeführt werden, um wirklich vergleichbare Ergebnisse zu erzielen.
„Für uns war es wichtig zu sehen, wie sich die Bio-Rationals unter natürlichen Bedingungen generell verhalten“, erklärt Pfeifer. „Produkte versprechen im Laboreinsatz immer viel. In der Natur sieht manches dann aber ganz anders aus.“ Die besten Chancen haben die Bio-Rationals nach Pfeifers Einschätzung in Jahren ohne besondere Wetterextreme.
Und wieviel Einsparpotenzial für konventionelle Phythomedizin ergibt sich durch den Einsatz der neuen Präparate? Hier kann und will sie sich nicht festlegen: „Ein Jahr reicht nicht aus, um belastbare Aussagen zu treffen, außerdem gilt es die Kombinationen mit konventionellem Pflanzenschutz zu prüfen, da viele Weinbaubetriebe sich mit einzelnen Bausteinen herantasten möchten!“. Die ZG Raiffeisen wird in jedem Fall dranbleiben.
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