Frostlagen leiden zusätzlich unter dem Wetter
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Allgemeine Situation
Das extrem „durchwachsene Jahr“ setzt sich fort. Aktuell wäre die Europameisterschaft am Laufen – abgesagt! Corona hat dazu geführt, dass sich der Fußball auf Geisterspiele im Profibereich beschränkt und „Alte-Herren-Fußballer“ Rad fahren und Boule spielen. Weinbergsbegehungen sind ausgefallen und Urlaubspläne wurden durcheinander gewürfelt. Neben diesen verkraftbaren Einschränkungen leiden viele Betriebe, auch im Umfeld des Weinbaus, teilweise wirtschaftlich massiv, unter den Folgen der Pandemie.
Durchwachsen ist das Jahr auch hinsichtlich des Wetters und der Entwicklung der Weinberge. Während frühe Lagen bereits seit ein bis zwei Wochen verblüht haben und die Beerchen deutlich anziehen (Schrotkorn- und teilweise in Terrassenlagen schon fast Erbsengröße), schleppen sich spätere Lagen und besonders frostgeschädigte Weinberge sehr zäh durch das Blütefenster hindurch. Kein Wunder, wechselt doch das Wetter alle paar Tage sein Kleid. Besonders die Frostlagen leiden. Hier muss durch die verzögerte Blüte zusätzlich zu den Frostschäden auch noch mit witterungsbedingten Verrieselungsschäden gerechnet werden. Natürlich nur dort, wo überhaupt noch Gescheine/Trauben vorhanden sind.
Hinsichtlich der pilzlichen Gesundheit der Bestände sieht es bisher sehr gut aus. Pero-Ölflecken sind bisher (Stand Mitte Juni !!) noch keine gemeldet worden. Massive Infektionsbedingungen mit Gewitter und Starkregen waren seither die Ausnahme und die vorbeugenden Behandlungen zeigen Wirkung. Wieder einmal wird deutlich, dass besonders Windturbulenzen in Verbindung mit Wärme und Wasser entscheidende Faktoren für die Verbreitung der Peronospora sind. Oidium ist dagegen in seiner Entwicklung heimtückischer. Man kann dem Frieden erst trauen, wenn bis Reifebeginn an den Trauben alles sauber bleibt.
Durch starkes Beeren- und Traubenwachstum verdünnen sich ausgebrachte Beläge aktuell rasch wieder, so dass Spritzabstände von mehr als zehn Tagen das Risiko sowohl von Oidium- als auch von Peronosporainfektionen grundsätzlich erhöhen. Die weiteren Aussichten in dieser Woche bleiben regnerisch bei verhaltenen Temperaturen um die 20°C. Bei der Terminierung der nächsten Behandlung darf auch an die Schonung des Bodens gedacht werden.
Frost
Die insgesamt fehlende Wärmesumme seit dem Frostereignis am 12. Mai lässt auch die geschädigten Weinberge langsamer wachsen als erwartet. Wer separat spritzt, kann weiterhin mit Kontaktfungizid plus Veriphos (Phosphorige Säure) und Netzschwefel kostengünstig Pflanzenschutz betreiben. Ziel muss sein, gut ausgereiftes Fruchtholz für den nächsten Winterschnitt zu erhalten. Dort wo allerdings noch eine Lese erwartet wird, muss das „normale“ Spritzprogramm erfolgen.
Zu den sonstigen weinbaulichen Maßnahmen hinsichtlich des Frostereignisses wurde in den letzten Hinweisen umfassend informiert. Zusammengefasst wird empfohlen, die notwendigen Fruchtruten im Drahtrahmen zu fixieren. Danach kann, besonders wenn keine intensiven Laubarbeiten von Hand erfolgen oder geplant sind, „scharf“ mit Laubschneider und Entblätterungsgerät Luft und Licht in die Laubwand gelassen werden.
Pflanzenschutz
Oidium:
Immer noch orientiert sich der Spritzabstand eher an Oidium als an Peronospora. Bis mindestens Erbsengröße befinden sich die Beerchen für beide Krankheiten in einer sehr empfindlichen Phase. In Anlagen, die bereits die Blüte beendet haben, sollte die Folgebehandlung nach der „Behandlung in die abgehende Blüte“, nicht nennenswert über einen Zeitraum von zehn Tagen ausgedehnt werden.
Vorzugsweise können jetzt die Mittel Talendo, Dynali oder Prosper Tec Verwendung finden, wenn bei der letzten Behandlung Mittel der „L-Gruppe“ (Luna Experience/Max, Sercadis) eingesetzt wurden. Beachten Sie unbedingt die Empfehlungen zum Resistenzmanagement.
Peronospora:
Wenn es ein bis zwei Tage vor der Behandlung länger oder auch stark geregnet hat, kann ein Mittel mit tiefenwirksamer Funktion (siehe Pflanzenschutz-Faltblatt 2020 der LVWO Weinsberg) zusätzlichen Schutz bringen. Gleiches gilt, wenn die mittelfristige Wettervorhersage zum Zeitpunkt der nächsten Behandlung weiterhin unbeständiges Wetter meldet. Alternativ ist, besonders bei trockeneren Bedingungen, auch mit Kontaktfungiziden ein ausreichender Behandlungserfolg zu erwarten Überall dort, wo die Laubwand ihre Endgröße erreicht hat, kann bei dem aktuell geringen Infektionsdruck auf den Zusatz von Mitteln mit Phosphoriger Säure eher verzichtet werden.
Stiellähme:
Möglicherweise führt die verzögerte Blüte später im Jahr zu verstärkter Stiellähme. Entscheidender sind aber die Wuchs- und Witterungsverhältnisse im Zeitraum der Traubenreife. Behandlungen mit magnesiumhaltigen Blattdüngern können das Problem sicher nicht lösen, haben aber einen gewissen mindernden Effekt. Bester Zeitpunkt hierfür ist der Zeitraum ab beginnender Reife (August). Nicht ganz auszuschließen ist, dass auch Behandlungen nach der Blüte einen gewissen positiven Effekt zur Minderung der späteren Stiellähme haben. Mittel sind z.B. Bittersalz (ca. 10 kg/ha) oder auch andere aufdem Markt befindliche Mg-haltige Blattdünger. Vorsicht ist bei Tankmischugen von Bittersalz mit Vitisan und Kumar geboten, da es dann evt. zu Verbrennungen an den Blättern kommen kann. Bei den anderen Blattdüngern sind die Hinweise auf den Packungen zu beachten.
Traubenwickler Sauerwurm:
Aktuell sind auch in nicht verwirrten Gebieten noch keine Flugaktivitäten der zweiten Generation gemeldet. Eine möglicherweise angedachte Behandlung gegen den Sauerwurm ist deshalb noch zu früh. Die Verwirrmethode hat sich wieder einmal, auch in diesem Jahr bei der ersten Generation (Heuwurm), bewährt. Während in Pheromongebieten nur sehr vereinzelt Heuwurmnester gefunden wurden, trat diese erste Generation des Traubenwicklers in manchen Nichtverwirrgebieten doch etwas stärker auf.
Laubarbeiten
Luftige Traubenzonen sind der beste Garant für gesunde Trauben. Planen Sie jetzt schon zeitnah Entlaubungsmaßnahmen für die Traubenzone ein. Bei starken Entlaubungsmaßnahmen während und direkt nach der Blüte ist bei blühempfindlichen Sorten eine gewisse zusätzliche Verrieselung möglich.
Bis Erbsengröße kann schadlos (kein Sonnenbrand) die Traubenzone kräftig gelüftet werden. Bei Weißweinsorten wegen der Traubenqualität tendenziell die Sonnenseite (West und Südwest) weniger intensiv. Bei Trollinger wächst bei früher intensiver Entblätterung wieder Laub nach. Bei der Abwägung aller Vor- und Nachteile hinsichtlich der Entblätterung muss späterer Sonnenbrand, wenn’s dumm läuft, in Kauf genommen werden.
Spritzabschluss 2020
Der letzte Spritztermin orientiert sich ohne Wenn und Aber daran, die mittelspezifische Wartezeit einhalten zu können. Weiterhin ist es das Bestreben, durch möglichst frühen Spritzabschluss die möglichen Rückstände auf Weintrauben zu minimieren. Nachdem die Entwicklung der Bestände sehr unterschiedlich weit fortgeschritten ist, muss nach den Trauben gehandelt werden, die zuerst erntereif sind. Überall dort, wo die Blüte im Wesentlichen in der ersten Juniwoche über die Bühne ging, sollte aus der Erfahrung der vergangenen Jahre der Abschluss der Behandlungen Ende Juli erfolgen. Frühe Sorten eine Woche bis zehn Tage davor.
Bei späten Lagen muss abgewartet werden, wie sich die Bestände im Juli entwickeln. Hier ist dann möglicherweise als Spritzabschluss spätestens der 10. August zu wählen. Aber Vorsicht! Zu beachten ist, dass vermeintlich späte Anlagen mit wenig Ertrag (Frost!) sehr schnell in der Reife aufholen können.
Was passiert mit Trauben der 2. Generation in Frostlagen (Geiztriebtrauben)?
Die Situation ist nicht vergleichbar mit 2011. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Trauben geerntet und zu vernünftigem Wein verarbeitet werden können.
Sonstiges
- Die Mittelmenge berechnet sich aktuell für die frühen Lagen mit der vierfachen Basisaufwandmenge. Bei Behandlungen in schwächer wüchsigen Frostlagen reduziert sich die ausgebrachte Menge automatisch durch Abschalten nicht gebrauchter Düsen, wenn die gleiche Grundbrühe verwendet wird
- Pflanzenschutz in Junganlagen: Vorsicht bei Verwendung des Rückenbuttens, wenn die aufkonzentrierte Brühe der Ertragslagen verwendet wird. Hier kann es leicht zu Verbrennungen durch Überkonzentration (insbesondere bei Verwendung von Phosphonaten) kommen. Mit dem Rückenbutten genügt normal eine einfach konzentrierte Brühe
- Tafeltrauben: Bei der Erzeugung von Trauben, die für den Direktverzehr vorgesehen sind, bestehen Einschränkungen bei der Mittelwahl. Dies wird seitens der Lebensmittelüberwachung bei den verkaufsfertigen Trauben regelmäßig geprüft und ggf. geahndet.
- Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) widerruft zum 31. Juli 2020 die Zulassung des Pflanzenschutzmittels Envidor. Grund für den Widerruf ist, dass die EU-Genehmigung für den Wirkstoff „Spirodiclofen“ am 31. Juli 2020 endet. Der Widerruf erfolgt auf Antrag des Zulassungsinhabers. Es gilt eine Abverkaufsfrist bis 31. Januar 2021 und eine Aufbrauchfrist bis 31. Januar 2022. Nach Ende der Aufbrauchfrist sind eventuelle Reste entsorgungspflichtig.
- Brennesseln jetzt stehen lassen! Überträgerzikaden der Schwarzholzkrankheit werden durch die Entfernung ihrer Wirtspflanzen(z.B. Brennesseln) gezwungen, andere Pflanzen, z.B. die Rebe anzufliegen. Das gilt es zu verhindern.
- Mittlerweile zeigen sich seit wenigen Tagen auch schon die ersten mit Esca befallenen Rebstöcke. Diese Stöcke sollten, genauso wie die jetzt beginnend sichtbaren Rebstöcke mit Schwarzholzkrankheit (z.B. verwaschen-rötliche Färbung ganzer Triebe bei Lemberger) im Verlauf der weiteren Vegetationsperiode markiert werden, um dann einen neuen Stockaufbau mit Stammaustrieben zu versuchen oder alternativ im nächsten Frühjahr nachzupflanzen.
- Bestimmungen zum Anwenderschutz beachten
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