Rechtzeitig Entblättern
Nach dem Turbowachstum folgten Heftarbeiten, Ausbrecharbeiten, Laubschnitt und enge Spritzabständen wegen Peronospora. Vielerorts sind zwischenzeitlich die meisten Anlagen zum ersten Mal gegipfelt und mit der Teilentblätterung der Traubenzone wurde auch schon begonnen. Bei dem witterungsbedingt massiven Wuchs der Laubwand ist es für eine optimale Trefferquote beim Pflanzenschutz wichtig, gerade im Bereich der Traubenzone Luft zu schaffen.
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Allgemeine Situation
Was waren (sind) das für stressige Wochen! Turbowachstum mit kaum zu bewältigenden Heftarbeiten, Ausbrecharbeiten, Laubschnitt, engen Spritzabständen wegen Peronospora und dann noch die Fußball-Europameisterschaft. Letzteres hat sich erledigt! Und auch bei den weinbaulichen Arbeiten kommt langsam wieder etwas Ruhe ins System. Wenn die Laubwand steht, kann mit Laubschneider und Laubsauger wieder Ordnung geschaffen werden.
Mittlerweile sind die meisten Anlagen zum ersten Mal gegipfelt und mit der Teilentblätterung der Traubenzone wurde auch schon begonnen. Bei dem witterungsbedingt massiven Wuchs der Laubwand ist es für eine optimale Trefferquote beim Pflanzenschutz wichtig, gerade im Bereich der Traubenzone Luft zu schaffen.
Das Positive an den Niederschlägen ist die Tatsache, dass es in absehbarer Zeit nicht zu Trockenstress kommt. Die Wasserfässer bleiben erst mal noch im Schuppen. Vielfach zeigen letztjährig schwachwüchsige Anlagen wieder Wuchs. Ausnahme bilden Lemberger mit Virusbefall. Wie wichtig begrünte Rebgassen sind zeigt sich dieses Jahr wieder einmal. Nicht auszudenken, wenn man im offenen Boden fahren und Pflanzenschutz betreiben müsste!
Die Pflanzenschutzsaison 2021 endet aus heutiger Sicht zwischen dem 7. und spätestens 14. August. Bei frühen Sorten eine Woche früher. Nachdem der Vegetationsrückstand aus dem Frühjahr durch die kompakte Blüte, Wärme und ausreichend Feuchtigkeit sich deutlich reduziert hat, müssen dabei nicht zwanghaft die letzten Termine ausgenutzt werden. Vielfach liegt der Spritzrhythmus so, dass – normales Sommerwetter und einigermaßen gesunde Bestände vorausgesetzt – im restlichen Juli noch zwei organische Behandlungen und dann um den 7. August die in Württemberg vorzugsweise praktizierte Kupferabschlussbehandlung stattfinden können.
Eventuelle Maßnahmen gegen Kirschessigfliege sind noch nicht vorhersehbar!
Pflanzenschutz
Die Spritzabstände hinsichtlich Peronospora richten sich nach dem Neuzuwachs, nach wetterbedingten Infektionsmöglichkeiten und nach dem Infektionsdruck in den Anlagen.
Peronospora
Sichtbare Infektionen an Blättern und sogar an Trauben zeigen sich in sehr unterschiedlicher Ausprägung von 0-100! Auftretende Peronospora-Flecken sind nicht zwingend auf das zuletzt eingesetzte Mittel zurückzuführen. Ganz entscheidend waren die Behandlungstermine ab Fronleichnam. Wer jeweils vor Starkniederschlägen behandelt hatte, hat keinen oder nur geringeren Befall. Wer allerdings bei einem (oder mehreren) Starkregenereignis(sen) erst danach kam, hat teilweise massiven Befall. Die Ursache liegt teilweise schon weiter zurück.
Grundsätzlich gilt es für alle Anlagen, bis zum Ende der Spritzsaison keine neuen Infektionen an gesundem Gewebe mehr zuzulassen. Ist die Laubwand stark betroffen, sind nachwachsende Geiztriebe umso wichtiger. Nur bei deutlich sichtbarem Befall der Laubwand wird empfohlen, bei der nächsten Behandlung letztmalig ein Mittel mit systemischer Komponente (zum Beispiel Phosphonate) einzusetzen. Ansonsten gilt es, den Schutzbelag aufrecht zu erhalten. Die Mittelwahl ist dabei nicht entscheidend. Vielleicht ist es angesichts der Umstände etwas sicherer, nochmal mit einem tiefenwirksamen Mittel zu agieren.
Mit fortschreitender Vegetationsperiode ist auf die einzuhaltenden Wartezeiten (WZ) der Mittel zu achten. Mittel mit 56 Tagen Wartezeit verhindern den Lesebeginn auf die Dauer von nahezu zwei Monaten. Grundsätzlich gilt es, die Vorgaben der Absatzorganisationen zu beachten!
Oidium
Noch befinden sich die Trauben in der empfindlichen Phase. Eine erste Meldung über Beerenbefall bei Trollinger ist eingegangen. Deshalb bei Handarbeiten immer mit offenen Augen nach Anfangsbefall an Beerchen Ausschau halten. Angesichts der engen Spritzabstände sollten nennenswerte Oidiuminfektionen an den Trauben ausbleiben. Das ist die Hoffnung.
Bei der nächsten Behandlung können nochmal Produkte wie Talendo oder Dynali zum Einsatz kommen. Wer noch Vegas im Schrank hat, sollte beachten, dass das Mittel eine Aufbrauchfrist bis 30.6.2022 hat. Das heißt, es sollte jetzt noch aufgebraucht werden und könnte die Alternative zu Dynali (gleicher Resistenzbuchstabe) sein. Wer Probleme mit dem Resistenzmanagement hat, könnte letztmalig auch nochmal bis Stadium 75 (Beeren erbsengroß, die Trauben hängen) das Mittel Prosper Tec verwenden.
Nach dem Stadium Traubenschluss, also außerhalb des Mehltaufensters und in unkritischen Anlagen kann auch das Mittel Kusabi** oder Vivando** eine Alternative zu einer ersten Azolbehandlung (Topas, Systhane, Sarumo oder Misha) sein.
(** Im Rahmen des Resistenzmonitorings 2019 und 2020 wurden im Anbaugebiet Württemberg einzelne angepasste Stämme des Oidiumpilzes gegenüber dem Wirkstoff Metrafenone (Vivando, Kusabi) gefunden. Deshalb wird vorsorglich der Einsatz der Wirkstoffgruppe K mit nur einer Anwendung empfohlen. Diese sollte vorzugsweise außerhalb des Mehltaufensters liegen).
Sollte sich beginnender Befall zeigen, muss schnell reagiert werden. Zu Sondermaßnahmen bei akutem Oidiumbefall gibt es auf der Internetseite des Landwirtschaftsamtes Heilbronn Informationen.
Traubenwickler
Der Falterflug der zweiten Generation hat noch nicht begonnen. Für möglich Behandlungen außerhalb der Pheromongebiete ist es noch zu früh.
Bewuchsregulierung
Bedingt durch Nässe und Wärme ist auch der Bewuchs unter den Rebzeilen vielfach kräftig gewachsen. Im Gegensatz zu den trockenen Vorjahren scheint dieses Jahr in vielen Anlagen eine weitere Bewuchsregulierung notwendig zu sein. Auch bei Herbizidanwendungen sind Wartezeiten zu beachten. Katana zum Beispiel, hat 90 Tage Wartezeit und ist daher aktuell nicht mehr einsetzbar. Die Mittelpalette ist mittlerweile sehr übersichtlich. Als einziger wirksamer Wirkstoff bleibt hier Glyphosat. Wer ein Herbizid auf Basis des Wirkstoffs Glyphosat einsetzt muss beachten, dass rechtzeitig davor (zwei bis drei Tage) die Stockaustriebe entfernt sind. Ansonsten erfolgt eine Aufnahme in den Stock. Zum Abbrennen von Winden und anderen breitblättrigen Kräutern wirken auch die Mittel Shark oder Quickdown, wenn sie ihrer Indikation gemäß bei den erlaubten Sorten gegen Stockaustriebe eingesetzt werden.
Traubengesundheit
Erfahrungen aus vielen zurückliegenden Jahrgängen zeigen, dass verdichtete Traubenzonen bei feuchtwarmen Reifebedingungen gravierende Nachteile für die Traubengesundheit haben. Das gilt besonders für rote Sorten auch im Hinblick auf Vorbeugung gegen späteren Befall mit Kirschessigfliege. Auch Ohrenzwicker fühlen sich im lockeren Teil der Laubwand sichtlich unwohl!
Allerdings: Das Risiko von Sonnenbrandschäden steigt, je später die Entblätterung stattfindet oder wenn gar später (ab circa Ende Juli), kurz vor einer Hitzewelle, entblättert oder erstmals Laub geschnitten wird. Also lieber jetzt sofort als später entblättern! Beim Trollinger besteht besonders auf der Südwestseite eine größere Gefahr für Sonnenbrand. Aber auch Weißweinsorten wie Grauburgunder oder Riesling kann die Nachmittagssonne bei Temperaturen von deutlich über 30° C gefährlich werden. Deshalb lässt man auf dieser Seite lieber ein paar Blätter mehr über den Trauben.
Auch wenn kritische Temperaturwerte momentan nicht in Sichtweite sind, kann es ab Ende Juli bis Ende August (Weichwerden der Beeren) zu Schäden durch extreme Hitze kommen. Wer allerdings mit der Entblätterung bis Mitte/Ende August zuwarten will, hat ein arbeitswirtschaftliches Problem. Bei diesem späten Termin ist eine maschinelle Entblätterung nicht mehr anzuraten (Schädigung der Trauben). Außerdem stellt sich die Frage, ob dann größere Flächen manuell entblättert werden können. Dort wo Traubenteilen geplant ist (vornehmlich in Premiumanlagen), sollte dies vor dem Weichwerden erfolgen.
Je nach Rebsorte und Lage ist bis Mitte Juli mit dem Stadium Traubenschluss zu rechnen. Bei kompakten Sorten und Klonen kann ein einmaliger Einsatz von Spezialbotrytiziden zum Stadium „kurz vor Traubenschluss“ helfen, frühe Fäulnis von innen heraus zu vermeiden, Ziel ist dabei, eingeschlossenes totes Material (zum Beispiel Blütenkäppchen) so lange wie möglich vor Botrytisbefall zu schützen. Positiv dieses Jahr ist, dass sich die Trauben bedingt durch die Niederschläge überwiegend gut geputzt haben. Daher lässt sich gegebenenfalls besonders bei lockeren Trauben Botrytismittel einsparen.
Als Spezialbotrytizide stehen Switch, Cantus, Kenja, Prolectus, Scala, oder Teldor zur Verfügung. Bei Cantus und Kenja unbedingt darauf achten, dass hier auch der Resistenzbuchstabe „L“ hinterlegt ist. Bei einer reinen Traubenzonenbehandlung kann der Mittelaufwand halbiert werden. Die beste Wirkung wird mit dem Befahren jeder Gasse und einer vorherigen Teilentblätterung der Traubenzone erzielt.
Junganlagen
Für guten Wuchs und ausreichende Anlagerung von Pflanzenschutzmittel sind die Bereiche um junge Rebstöcke mechanisch frei von Unkrautbewuchs zu halten. Behandlungen gegen Peronospora erfolgen mit Kontakt- oder tiefenwirksamen Mitteln in Kombination mit Phosphonaten. Oidiummittel ebenfalls beifügen. Da hier keine Trauben geerntet werden, reicht Netzschwefel, wenn separate Brühe verwendet wird.
Umstrukturierung
- Bis spätestens 15.07.2020 (Ausschlussfrist!!) müssen die Pfropfreben- /beziehungsweise Schlauchrechnungen beim zuständigen Landwirtschaftsamt eingegangen sein.
- Damit es nicht zu Sanktionen kommt, ist für jede Fläche zu prüfen, ob die beantragte Flächengröße mit der tatsächlich gepflanzten Fläche übereinstimmt. Ab 20 Prozent Überbeantragung erfolgen Sanktionen.
- Neue Anträge für 2022 müssen ab diesem Jahr bis spätestens 31.08.2021 beantragt werden. Antragsformulare gibt es noch nicht, werden aber in Bälde erwartet und dann versandt.
Sonstiges
- Tafeltrauben: Bitte beachten Sie, dass bei der Erzeugung von Tafeltrauben beziehungsweise Schnitttrauben aus Ertragsanlagen Einschränkungen bei der Mittelwahl bestehen. Dies wird von der Lebensmittelkontrolle untersucht.
- Stiellähme: Gerade empfindliche Sorten (zum Beispiel Lemberger, Dornfelder, Merlot, Cabernet Sauvignon,) können zur Stärkung des Stielgerüsts mit magnesiumhaltigen Blattdüngern behandelt werden. Ein stetiger Wechsel der Temperaturen und der Bodenfeuchte bei wüchsigen Bedingungen erhöht die Neigung für Stiellähme. Bei den anstehenden Behandlungen können 8-10 kg/ha Bittersalz oder alternativ ein fertig formulierter Mg- Blattdünger nach Herstellervorgaben zugegeben werden. Eine Sonderbehandlung in die Traubenzone kann mit bis zu 25 kg/ha Bittersalz 800 l Wasser/ha ohne Zusatz von Pflanzenschutzmitteln und erfolgen, ohne dass Verbrennungen zu befürchten sind (also maximal 3%ig = 3 kg Bittersalz auf 100 l Wasser). Vorsicht ist dabei bei Mischungen mit Bikarbonaten (Vitisan, Kumar) wegen Verbrennungen geboten. Die Packungsbeilagen immer beachten.
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