Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.

Rebschutzhinweis Nr. 18 – Weinbauberatung Heilbronn

Der etwas außer der Reihe vorliegende Rebschutzhinweis hat insbesondere die Situation um die Kirschessigfliege als Hintergrund. Einflug in die Rebflächen und erste, sehr vereinzelte Eiablage hat begonnen. Die Wengerter stehen „Gewehr bei Fuß“, es wird aber noch nicht geschossen. Zur KEF nachfolgend gleich noch mehr.

Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Artikel teilen:

Die Reifeentwicklung in den Weinbergen hat diese Woche enorme Fortschritte gemacht. Acolon, Regent und Cabernet Dorsa sind weitgehend gefärbt, mit Abstrichen auch Dornfelder und einige weitere frühreifende Rebsorten. Selbst bei Trollinger und Lemberger sind einzelne blaue und weiche Beerchen keine Seltenheit, natürlich je nach Lage.


Einige wenige Meldungen bezüglich Oidiumbefall sind in den letzten Tagen eingegangen. Vornehmlich bei Trollinger. Wenn es sich um einzelne Trauben handelt oder um Nester, war dort vermutlich in der Nähe ein Zeigertrieb als Ausgangsbefall. Befallene Trauben sollten großzügig entfernt werden. Noch geht es. diese auf den Boden zu schneiden, solange sie noch nicht nennenswert Süße eingelagert haben und damit attraktiv sind für die KEF.


Kirschessigflieg:
Gleich vorweg: Aus Sicht von Freitag, den 19. August ist bis Anfang/Mitte nächster Woche noch keine Behandlung notwendig. Falls Anfang nächster Woche die Beerenbefallszahlen eine zunehmende Tendenz zeigen, wird sehr zeitnah ein weiterer Hinweis erfolgen.


Würde bei den frühesten Sorten von einem Lesebeginn um den 20. September ausgegangen, hingen die Trauben noch gute 4 Wochen. Ziel aller noch folgenden weinbaulichen Maßnahmen ist es, den Lesebeginn nicht unnötig früh durchführen zu müssen. Im speziellen macht da gerade das Auftreten der Kirschessigfliege Sorge. Deshalb ist ab dieser Woche das landesweite Beerenmonitoring angelaufen. Selbstverständlich zuerst bei den frühreifen rot färbenden Rebsorten. Das Monitoringsystem des Weinbauinstituts Freiburg und der LVWO Weinsberg kann naturgemäß nur Stichproben erfassen, bietet aber dennoch die Möglichkeit, über das Internet unter „Vitimeteo“  sehr schnell einen Überblick über die Gesamtsituation zu bekommen. Eine Bekämpfung mit den zur Verfügung stehenden Insektiziden macht erst Sinn, wenn Eiablage und verstärkter Flug in den Weinbergen festgestellt wird. Mitte dieser Woche wurde im Rahmen des Monitorings an zwei Standorten bei den frühreifen Rotweinsorten Acolon und Cabernet Dorsa Eiablage festgestellt. Sonst aktuell noch nichts.


Mit beginnender nennenswerter Eiablage sollte in gefährdeten Sorten mit den Behandlungen begonnen werden. Eine zu frühe vorbeugende Behandlung vor Befallsbeginn ist vollkommen sinnlos, da die Wirkungsdauer der Mittel begrenzt ist. Auch Regen schwächt die Wirkung der eingesetzten Mittel. Deshalb wird - auch wegen der angekündigten Niederschläge am Samstag - vor dem Wochenende noch keine Behandlung empfohlen. Falls Anfang nächster Woche eine erste Behandlung in Sicht ist, wird zeitnah neu informiert. Grundsätzlich müssen weiße Rebsorten nicht behandelt werden. Auch für später reifende rote Sorten wäre es jetzt noch zu früh.


Jeder Bewirtschafter von Rebflächen muss das Befallsrisiko und damit den Beginn möglicher Behandlungen auf seinen Flächen natürlich grundsätzlich selbst festlegen. Generell ist dies im Vorfeld mit den Vermarktungsbetrieben abzustimmen! Achten Sie auf die Hinweise ihres Vermarktungsbetriebes! Beobachten Sie ihre Parzellen jetzt sehr genau! Besonders gefährdet sind Anlagen in der Nähe von Gehölzzonen, in denen sonstige Wirtspflanzen der KEF wachsen (z.B. Brombeeren, Holunder usw.). Das Überwachen und Auszählen der Männchen mit den schwarzen Flügelpunkten in den örtlichen Köderfallen gibt einen Anhaltspunkt über die Flugaktivität an den einzelnen Standorten, lässt aber leider keinen Schluss auf den aktiven Befall zu. Achten Sie deshalb auch auf KEF-typische Eibablage und Saftaustritt an den Beeren! Die Eiablage ist am besten mit Hilfe einer guten Lupe, auch mit dem Smartphone oder besser noch mit Hilfe eines Binokulars bei 10-15-facher Vergrößerung zu erkennen. Bevorzugter Ort der Eiablage ist um den Beerenstiel herum.


Indirekte Bekämpfungsmaßnahmen
Die Kirschessigfliege bevorzugt feuchtwarme und schattige Gebiete. Eine gut belüftete und besonnte Traubenzone stellt deshalb für die KEF ungünstigere Bedingungen dar. Auch kurz gehaltene Begrünungen bieten ihr weniger Rückzugsmöglichkeiten am Boden und senken die Luftfeuchte im Bestand. Darüber hinaus sollten, im Falle einer Ausdünnung, süße Trauben nicht auf dem Boden liegen bleiben. Am besten ist es, Ausdünnmaßnahmen noch vor Eintritt der Traubenreife vorzunehmen. Kirschessigfliegen legen ihre Eier zwar gewöhnlich nicht auf verrottendes Fruchtmaterial, werden jedoch durch den entstehenden Gärgeruch zusätzlich in die Anlage gelockt.


Generell ist es so, dass die Weintrauben nicht zu den bevorzugtesten Früchten der KEF gehören. Deshalb gibt es auch große Unterschiede innerhalb der Sortenpräferenz. Am Ende der Vegetation sind aber nun mal die Weintrauben mit das letzte Nahrungsangebot. In der Not „frisst“ die KEF dann halt auch Trauben.


Direkte Bekämpfungsmaßnahmen: Zugelassene Pflanzenschutzmittel im Weinbau
Neben dem regulär zugelassenen Spintor hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zur Bekämpfung der Kirschessigfliege Mospilan und Karate Zeon über eine Notfallregelung zugelassen. Für Württemberg ist die Mittelkombination „Spintor mit Combi-Protec“ nicht genehmigt. Hier die Mittelpalette in der Übersicht:

Handelsname 
(Wirkstoff)

Bienengefährlichkeit Raubmilben-schädigung

Wartezeit 
(Tage)

Max. Anzahl
Anwendungen

Aufwandmenge
Spintor
(Spinosad)
B1 nicht schädigend 14 2 160 ml/ha
Mospilan SG
(Acetamiprid)
B4 schwach schädigend 14 1 375 g/ha
Karate Zeon**
(ƛ-Cyhalothrin)
B4 schädigend 7 1 (nur 
Traubenzone)
37,5 ml/ha (in
Traubenzone)



Empfohlene Behandlungen bei einer möglichen 3-fach Strategie:

  • Erste Behandlung mit Spintor über die gesamte Laubwand (160 ml/ha, WZ 14 Tage). Achtung bienengefährlich!
  • Danach je nach Regen und Befallsverlauf 6 bis 10 Tage später nochmals Spintor oder Mospilan (375 g/ha, WZ 14 Tage), ebenfalls über die gesamte Laubwand.
  • Als letzte Maßnahme, wenn noch nötig, Karate Zeon, nur in die Traubenzone (37,5 ml/ha in 200 bis 400 l Wasser, WZ 7 Tage), unter strikter Beachtung der Vorgaben zur Applikationstechnik und Schonung der Raubmilben (** Spritzen der Traubenzone mit driftreduzierender Anwendungstechnik (z.B. Axialgebläse mit Querstromaufbau und horizontaler Luftführung, max. 2 oder 3 offene Düsen siehe auch weiter unten).

Der Wirkungsgrad aller Mittel ist eher bescheiden. Es kann nicht erwartet werden, dass dadurch der Befall auf „Null“ reduziert werden kann. Es ist aber zu erwarten, dass durch gezielte Behandlungen, falls sie notwendig werden, eine Verlangsamung der Populationsentwicklung einhergeht und damit das Lesefenster größer wird.


Das Befahren jeder Gasse verbessert die Wirkung. Alternativ bei Befahrung jeder zweiten Gasse nicht zu schnell fahren. Die Behandlung sollte möglichst in den Abend hinein durchführt werden, da hier die Fliegen aktiver sind und damit von der Brühe besser getroffen werden. Zusätzlich ist dabei die Gefahr geringer, Bienen zu treffen. 


Zum Einsatz von Löschkalk bzw. Fruchtkalk, getarnt als als Düngemaßnahme, gibt es derzeit keine gesicherten Erkenntnisse zur Wirkung auf die Kirschessigfliege, auch wenn Prospekte der Vertriebsfirmen anderes behaupten. Eine Anwendung wird nicht empfohlen.


Das Massenfangverfahren durch Aufhängen von Fangflaschen am Rande von Rebflächen kann allenfalls als unterstützende Maßnahme gesehen werden. Seriöse Nachweise einer ausreichenden Wirkung sind leider noch nicht geführt. Wer darauf baut, sollte dennoch seine Bestände gründlich im Auge behalten. 


Aus Gründen der Rückstandssituation wird dringend darauf hingewiesen, dass Überkonzentrationen zwingend zu vermeiden sind. Ebenso dürfen auf keinen Fall Mittel und Wirkstoffe eingesetzt werden, die für den Weinbau nicht zugelassen sind. Der dahingehende Weinskandal in Sachsen hat gezeigt, welche medialen und damit finanziellen Auswirkungen dies haben kann.


Hinweise zum Bienenschutz
Nach der Bienenschutzverordnung dürfen Pflanzenschutzmittel mit der Einstufung B1 (Bienengefährlich) weder an blühenden Pflanzen noch an von Bienen beflogenen nicht blühenden Pflanzen angewandt werden. Daher sind vor einem Einsatz von B1-Mitteln die blühenden Pflanzen zu mulchen. Beschädigte Beeren in den Weinbergen sind generell als Warnsignal zu werten. Weiter bitten wir zu beachten, dass in den wenigen Fällen, wo Bienenstände näher als 60 Meter zu Anlagen stehen, die mit B1-Mittel behandelt werden sollen, Rücksprache mit dem Imker zu erfolgen hat: bienengefährliche Pflanzenschutzmittel dürfen innerhalb eines Umkreises von 60 m um einen Bienenstand entweder während des täglichen Bienenfluges nur mit Zustimmung des Imkers oder außerhalb der täglichen Flugzeit (spätere Abendstunden) eingesetzt werden.


Zusatzinformation zu den einzelnen Präparaten:
Ein grundsätzliches Ranking, das besagt, welches Mittel das Beste ist, gibt es noch nicht. Vielleicht helfen die amtlichen Versuche dahingehend weiter. Allerdings dann erst für die Zukunft.

  • SpinTor wirkt auf Fliegen und Larven der Kirschessigfliege. Vom Sprühnebel getroffene Fliegen werden sofort erfasst (Kontaktwirkung) – deshalb die ganze Laubwand behandeln! SpinTor wird von den Tieren auch durch Begehen inkl. Putzverhalten und Fraßaktivität aufgenommen (Fraßwirkung). Die Eier kommen bei der Eiablage mit dem Wirkstoff in Kontakt, ebenso die Larven, da der Wirkstoff oberflächennah eindringt und dort aufgenommen wird. Im Anschluss an eine Behandlung sollte es möglichst lange trocken sein.
  • Mospilan hat eine Wirkung auf Larven und Adulte und ist nützlingsschonend.
  • Karate Zeon wirkt im Wesentlichen gegen die erwachsenen Fliegen. Das Mittel ist stark raubmilbenschädigend. Deshalb ist der Einsatz gegen die Kirschessigfliege nur in der Traubenzone mit stark driftreduzierter und akkurater Anwendungstechnik zugelassen! Eine Abdrift von Spritztropfen in die obere Laubwand muss vermieden werden. Falls Raubmilben in der oberen Laubwand nicht geschont werden, wird sich spätestens im Folgejahr ein sehr starker Spinnmilbenbefall einstellen!! Das Spritzen der Trauben nur in der Traubenzone ist mit driftreduzierter Anwendungstechnik durchzuführen. Dazu zählen z.B. Axialgeräte mit Querstromaufbau und horizontaler Luftführung, Tangentialgebläse, Radialgebläse mit horizontaler Luftführung und reine Spritzgestänge ohne Luftunterstützung. Die Gebläse sind mit waagrechter bzw. mit leicht nach unten geneigter Luftführung und randscharf nur auf die Traubenzone einzustellen sowie mit reduzierter Luftleistung zu betreiben, um ein „Durchblasen“ der Spritztropfen durch die Laubwand zu vermeiden. Beim Einsatz von Karate Zeon sind bevorzugt die sehr grobtropfigen Hohlkegel-Injektordüsen wie Lechler IDK 90 oder Albuz TVI 80 der Größe 01 oder 015 mit einem max. Druck von 10 bar einzusetzen. Für die Behandlung der Traubenzone sind 2 bis max. 3 Düsen je Seite zu öffnen. Es ist jede Rebzeile von beiden Seiten zu behandeln. Geräte, die von unten nach oben applizieren sind für diese Anwendung nicht geeignet. Weitere Auflagen und Anwendungsvorschriften zur Anwendung von Karate Zeon sind zu beachten. Für die Behandlung der Traubenzone ist die Aufwandmenge auf 37,5 ml/ha Karate Zeon zu reduzieren. Nur diese Menge ist zugelassen und muss penibel eingehalten werden.

Generell wird bei der Anwendung von Insektiziden auf einen möglichst umfangreichen Anwenderschutz hingewiesen. Bei Karate Zeon ist in den Anwendungshinweisen beschrieben, dass Hautreaktionen vorkommen können. Die Empfehlung, bei der Ausbringung bzw. Handhabung des anwendungsfertigen Mittels, in Raumkulturen partikelfiltrierende Halbmaske FFP2 oder Halbmaske mit Partikelfilter P2 (Kennfarbe:weiß) zu tragen, deutet darauf hin, dass mit dem Mittel sehr sorgsam umgegangen werden muss. Bester Schutz bietet immer noch eine Schlepperkabine mit funktionsfähiger Filtereinrichtung.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren