Rebentwicklung auf Achterbahnfahrt
Die Rebentwicklung fährt dieses Jahr Achterbahn: Sehr früher Austrieb, lange Stagnation durch den Kälteeinbruch und jetzt eine Turboentwicklung in den Weinbergen! Hochsommerliche Wetterverhältnisse mit teilweise über 30ºC heizen das Triebwachstum an, so dass inzwischen in normal entwickelten Anlagen zwischen 9 und 12 Blätter entfaltet sind. Aufgrund der Blattentwicklung könnte somit die Blüte je nach Lage und Rebsorte bereits in den nächsten Tagen beginnen.
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Die gewittrigen Niederschläge in dieser Woche brachten lokal sehr unterschiedliche Regenmengen bis zu 70 L/m². Bis zum Wochenende wird erstmal relativ ruhiges sommerliches Wetter prognostiziert, über das Pfingstwochenende ist dann mit Schauern und Gewittern zu rechnen. Auch in der kommenden Woche ist nach einem kurzzeitigen Temperaturabfall tendenziell mit guten Wachstumsbedingungen bei Temperaturen um die 25 -30°C zu rechnen, zumal auch die Nachtemperaturen meist im Bereich über
10° C liegen sollen. Aus heutiger Sicht bieten sich damit optimale Bedingungen für die anstehende Blüte!
In stark frostgeschädigten Weinbergen ist der Neuaustrieb über Beiaugen auf der Fruchtrute meist sehr übersichtlich. Im Wesentlichen sind schlafende Augen aus dem Kopfbereich und später entwickelte, basale Augen für das Wiederergrünen der Stöcke verantwortlich. Aktuell können meist zwei Traubengenerationen an den geschädigten Stöcken beobachtet werden, je nach Rebsorte sind die Neuaustriebe jedoch vielfach ohne nennenswerten Gescheinsansatz.
Peronospora
Seit Anfang dieser Woche werden vermehrt einzelne, meist sporulierte Ölflecken aus dem Laubwandbereich gemeldet. Besonders gefährlich wird Peronospora immer dann, wenn sporulierte Ölflecken vorhanden sind und die Sporen durch starke Turbulenzen großflächig verbreitet werden können.
In Gebieten, in denen in den letzten Tagen stärkere Gewitterniederschläge aufgetreten sind, ist daher bei vorhandenen Ölflecken mit einer ersten stärkeren Ausbreitung über Sekundärinfektionen zu rechnen. Ölflecken aus diesen Infektionen können dann am Pfingstwochenende zu sehen sein. In Regionen, in denen in den vergangenen Tagen keine nennenswerten Niederschläge gefallen sind, waren seither auch noch keine Sekundärinfektionen möglich und somit steigt dort die Ausbreitungsgefahr erst mit den nächsten prognostizierten Schauer- und Gewitterniederschlägen.
Gegen Peronospora wird aktuell ein möglichst raubmilbenschonendes Kontaktfungizid empfohlen. Mit dem Zusatz von Veriphos (2 L/ha) kann der Zuwachs durch den systemischen Wirkmechanismus der Phosphonate besser geschützt werden. Alternativ zu dieser Kombination bietet sich aktuell auch der einmalige Einsatz von Profiler an. Hier kann auf den Zusatz von Veriphos verzichtet werden, da die systemisch wirkende Komponente bereits im Produkt enthalten ist.
Der Spritzabstand ist aufgrund der enormen Zuwächse nicht zu weit auszudehnen und sollte bei vorhergesagten Regenfällen nicht über 10 Tage liegen. Schieben Sie die Behandlungen möglichst nah an die zu erwartenden Niederschläge um einen möglichst lückenlosen Belag bei auftretenden Niederschlägen zu haben.
Sofern erst nach auftretenden Niederschlägen behandelt werden kann, bietet sich der Einsatz von kurativ wirkenden Produkten wie z.B. Melody Combi oder Forum Gold an. Allerdings macht der Einsatz nur Sinn, wenn eine Pflanzenschutzbehandlung unmittelbar nach dem Infektionsereignis (max. 24 - 48 Stunden nach den Niederschlägen) stattfindet. Nach stärkeren Niederschlägen ist die Befahrbarkeit der Rebanlagen im Kurativfenster
jedoch meist nur eingeschränkt möglich.
Oidium:
Im Beratungsgebiet wurden seither noch keine Zeigertriebe oder Blattinfektionen gemeldet. Überregional wird jedoch bereits von stärkeren Befällen v.a. in ungepflegten Minimalschnittanlagen berichtet. Der Infektionsdruck für Oidium ist aktuell als sehr hoch einzustufen. Ab dem Termin kurz vor der Blüte bis zum Stadium Erbsengröße befinden sich die Beerchen in einer sehr empfindlichen Phase. Der Spritzabstand orientiert sich sowohl an Peronospora als auch an Oidium.
Aktuell bringt der Einsatz von organischen Oidiummitteln eine höhere Wirkungssicherheit und -dauer. Achten Sie dabei unbedingt auf einen konsequenten Wirkstoffgruppenwechsel und das Resistenzmanagement.
Momentan werden in erster Linie die Mittel Vivando, Talendo oder Dynali empfohlen. Die Präparate Vegas und Vento Power machen einen kürzeren Spritzabstand erforderlich. Die Präparate Luna Experience (nur einmaliger Einsatz bis BBCH 73) und Collis werden bevorzugt zur abgehenden Blüte bzw. der darauffolgenden Spritzung empfohlen. Topas und Systhane sollten erst zu einem späteren Zeitpunkt ab Mitte Juli eingesetzt werden. Die
strobilurinhaltigen Präparate Flint, Universalis und Discus sind aufgrund von Resistenzen in vielen Gebieten nicht mehr ausreichend wirksam.
Auftretende Zeigertriebe bitte an die Weinbauberatung melden.
Chlorose
Bis zum Beginn der Rebblüte kann bei sichtbarer Aufhellung bzw. gelblicher Verfärbung mit einem eisenchelathaltigen Blattdünger (wie z.B. Folicin DP, Lebosol Eisencitrat, Wuxal Eisen Plus oder Fetrilon) entgegen gewirkt werden. Bezüglich der Mischbarkeit (v.a. mit Phosphoriger Säure) sind grundsätzlich die Anwendungshinweise auf den Packungen zu beachten.
Fäulnisvermeidung durch Bioregulatoren
Aufgrund der anstehenden Blüte ist demnächst der Einsatz von Bioregulatoren in fäulnisgefährdeten Sorten abzuwägen. Bei guten Blühbedingungen ist die Gefahr von kompakten Trauben sehr groß. Durch den Einsatz von Biowachstumsregulatoren wie „Gibb3“ oder „Regalis“ wird die Verrieselungsneigung und/oder Jungfernfrüchtigkeit gefördert. Der dabei nicht auszuschließende ertragsreduzierende Effekt wird im Herbst
durch gesündere Trauben in den allermeisten Fällen mehr als kompensiert. Die Mittel sind im Bereich Vollblüte, das heißt 30 bis 50% abgeworfener Käppchen (BBCH 63 - 65) einzusetzen.
Mit den Präparaten darf nur eine Soloanwendung in die Traubenzone erfolgen, zur allseitigen Benetzung der Gescheine muss jede Reihe befahren werden. Vorsicht in schwachwüchsigen und z.B. durch Chlorose gestressten Anlagen. Die Sortenempfehlungen und speziellen Einsatzbedingungen der Produkte sind den Gebrauchsempfehlungen auf den Mittelpackungen zu entnehmen.
Weinbauliche Arbeiten
In frostgeschädigten Anlagen gestalten sich die Ausbrecharbeiten im Kopfbereich mit zunehmender Laubmasse schwieriger und der Arbeitsaufwand steigt enorm. Sofern nun aufgrund der anstehenden Heftarbeiten die Zeit fehlt, können verdichtete Laubwandbereiche als Alternative zur Handarbeit im unmittelbaren Nachblütestadium auch mit maschineller Entblätterung gelockert werden. Ziel aller Maßnahmen muss sein, dass die potentiellen Fruchtruten für das kommende Jahr gut belichtet sind, damit im Folgejahr mit einem vernünftigen Ertragsansatz gerechnet werden kann.
Besonders in frostgeschädigten Anlagen müssen Heftarbeiten termingerecht durchgeführt werden, damit die geringere Anzahl an Trieben nicht auch noch zusätzlich durch Windbruch dezimiert wird. Neupflanzungen sollten ab ca. 5 - 8 cm Trieblänge ausgebrochen werden. Hierdurch wird die geringe Menge Reservestoffe der Wurzelstange auf einen Trieb konzentriert. Die Blattentwicklung wird beschleunigt und die nötige Größe (Durchmesser 10 - 12 cm) für eigene Energiegewinnung durch das Blatt beschleunigt.
Da der Flug der Überträgerzikade für die Schwarzholzkrankheit unmittelbar bevor steht, sollten ab sofort bis Ende Juli Brennesseln in der Nähe von Weinbergen, nicht mehr gemäht oder gemulcht werden. Dies gilt bevorzugt an warmen Standorten wie Böschungen oder Wegrändern.
Sonstige Hinweise
Bei anstehenden Behandlungen wird in normalentwickelten Anlagen die 2 bis 2,5-fache Basisaufwandmenge empfohlen. In stark frostgeschädigten Anlagen ist je nach Blattmasse eventuell auch noch die 1,5 fache Basisaufwandmenge ausreichend.
Hinweise und Auflagen in den Gebrauchsanleitungen der Pflanzenschutzmittel - insbesondere zum Bienenschutz - sind zu beachten. Der Einsatz von Herbiziden auf Vorgewenden, Wegeränder und Böschungen ist nicht zulässig!
Achten Sie auf eine gültige Kontrollplakette am Pflanzenschutzgerät. Bei der Gerätereinigung dürfen keine Reste der Spritzbrühe in die Kanalisation/Oberflächengewässer gelangen Unvermeidbare Restmengen mit Wasser im Verhältnis 1:10 verdünnen und in einer Rebanlage ausspritzen!
Dokumentationsverpflichtung des Pflanzenschutzes beachten!
Der nächste Rebschutzhinweis erfolgt voraussichtlich am 07. Juni.
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