Da kommt was Großes auf uns zu
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„Wir stehen vor einem Neuanfang“, stellte Hermann Hohl in Weinsberg fest. Der Weinbauverband Württemberg sei die erste offiziell anerkannte Schutzgemeinschaft aller deutschen Weinanbaugebiete. Nun stehe die größte bezeichnungsrechtliche Änderung seit der Reform des Weingesetzes 1971 bevor – die Einführung des romanischen Bezeichnungssystems.
Chancen nutzen
Mit dieser von der EU bereits 2009 geforderten Anpassung verbindet der Verbandspräsident große Chancen für das Anbaugebiet, die es jetzt zu nutzen gelte. Die Schutzgemeinschaft und damit die Weinbranche selbst kann und muss nun die Produktspezifikationen für Weine mit geschützter Herkunftsbezeichnung (g. U. und g. g. A.) selbst festlegen.
Hohl geht davon aus, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre die bisherigen Prädikatsstufen in ihrer jetzigen Form verschwinden werden. „Ich bin dafür, dass wir lieber einen harten Schnitt machen, statt an zu langen Übergangszeiten festzuhalten“, so Hohl. Er ist sich durchaus bewusst, dass es ein harter Weg innerhalb der Branche wird, bis man gemeinsam das neue Konzept entwickelt und durchgesetzt habe.
Am Ende wird die Herkunft stärker in den Fokus rücken und damit zum Beispiel auch die touristische Vermarkung des Weins erleichtert. Die Schutzgemeinschaft hat nun nämlich die Möglichkeit, zum Beispiel neue Bereiche zu definieren, die sich an touristische Regionen wie das Weinsberger Tal oder den Breitenauer See anlehnen könnten. Weine, die diese Bezeichnung tragen wollen, müssen dann streng formulierte Produktspezifikationen erfüllen, die beispielsweise Rebsorte, Höchstertrag und Mostgewicht vorschreiben. Auch der Weinstil kann genau definiert werden, um für den Verbraucher nachvollziehbare Produkte mit einem gewissen Qualitätsversprechen zu garantieren.
Die Qualitätspyramide
Um neue Produktspezifikationen festlegen zu können, wird eine neue Qualitätspyramide benötigt. Diese wurde bereits beschlossen und sieht folgende sechs Segmente vor: Die Basis bildet der Deutsche Wein ohne Herkunftsbezeichnungen. Die nächste Stufe bilden Weine mit einer geschützten geografischen Angabe (zum Beispiel bisherige Landweingebiete). Darüber liegen vier mit jeder Stufe enger werdene Segmente mit geschützter Ursprungsbezeichnung.
Die größte Stufe ist das Anbaugebiet Württemberg, darüber liegen die Bereiche, in die zum Beispiel bisherige Großlagen integriert werden können, darüber kommen die Orte und Ortsteile mit engen Herkunftsangaben für Weinberglagen und an der Spitze stehen die Lagen, die ganz enge Herkunftsbezeichnungen wie zum Beispiel Gewannnamen tragen und besonders hohe Anforderungen an die Qualität im Glas stellen. Gerade in der Spitze der Qualitätspyramide sieht Hermann Hohl große Profilierungschancen für Einzelbetriebe und Genossenschaften. Das Gros der Weine wird jedoch aus den Stufen „Anbaugebiet“ und „Bereich“ kommen.
Selbst vorsorgen
Ein ganz anderes Thema des Vormittags betraf die Risikovorsorge. Hohl ermunterte seine Berufskollegen dazu, sich gegen Frost und Hagel zu versichern. Die Frostbeihilfe des Landes Baden-Württemberg sei eine einmalige Sache gewesen. Nun seien die Wengerter selbst gefordert sich abzusichern. Auch der Weinbauverband wird sich stärker mit dem Thema befassen. Frostberegungnung und Bewindungsanlagen sind nur zwei Beispiele, die jetzt intensiver untersucht werden sollen.
Von der Politik forderte Hohl eine staatliche Untestützung zur Mehrgefahrenversicherung, wie sie in anderen europäischen Ländern längst üblich ist. Alleine seien die immens hohen Versicherungsprämien für Hagel und Frost von den Betrieben kaum zu stemmen. Auf Landesebene konnte bereits Minister Peter Hauk von einem Staatsbeitrag überzeugt werden. Nun muss noch der Bund mit ins Boot geholt werden. Es ist allerdings offen ob, wann und in welchem Umfang die Versicherungsprämien staatlich unterstützt werden.
Die zugesagten zwölf Millionen Euro aus der zugesagten Frostbehilfe für Winzer in Baden und Württemberg soll übrigens noch Ende Februrar / Anfang März ausgezahlt werden.
Ausbildung in Kompetenzzentrum bündeln
Das Thema Ausbildung und Berufsnachwuchs liegt Hermann Hohl schon immer am Herzen. Umso schlimmer ist es, dass die Branche aktuell zusehen muss, wie immer mehr potenzielle Auszubildende in andere Bundesländer - vorrangig nach Rheinland-Pfalz - abwandern. "Aktuell findet ein Kampf um Studierende und Auszubildende in Deutschland statt", so Hohl. Die Technikerschule genieße zwar einen exzelenten Ruf. Darüberhinaus habe sich Württemberg aber in Sachen Aus- und Weiterbildung im Gegensatz zu Geisenheim oder Neustadt/Weinstr. nicht weiterentwickelt.
Nur das eher marketinglastige Studium in Heilbronn biete einen akademischen Abschluss. Und auch hier "schwächeln die Studierendenzahlen", so Hohl. Daher wolle die Branche künftig zusammen mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Weinsberg einen technischen Bacherlorabschluss anbieten. Schülern der Weinbauschule solle es damit möglich sein, auf Wunsch, neben dem Techniker zusätzlich einen Bacherlorabschluss zu erreichen.
Zudem soll an der Berufsschule in Heilbronn-Böckingen ein Weinbaugymnasium installiert werden, an dem Schüler - in Deutschland einmalig - neben dem Abitur auch den Berufsabschluss des Winzers erhalten. Mit diesem Abschluss sein ein anschließendes Studium in Weinsberg möglich. Dieser Vorschlag wurde jedoch kürzlich von der Kultusministerin abgelehnt. Hohl will die Idee jedoch nicht aufgeben und weiter für ein solches Gymnasium werben. Auch die Einführung eines Bachelor-Studiengangs in Weinsberg ist noch offen.
Ziel all dieser Anstrengungen soll ein grünes Kompetenzzentrum in Weinsberg sein, das vom Winzer bis zum Gärtner eine fundierte Ausbildung in den grünen Berufen bündeln soll und Anziehungspunkt für junge Menschen aus ganz Deutschland und dem Ausland werden soll. "Wir wollen den abwandernden Berufsnachwuchs nach Württemberg zurück holen", lautet die selbstbewusste Ansage des Weinbaupräsidenten.
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