Wettermix im Juni: Regen, Hagel und Verrieselungsschäden
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Allgemeine Situation
Die verzögerte Entwicklung in mittleren und späten Lagen, das durchwachsene Juniwetter in der ersten Monatshälfte und frostbedingte Entwicklungsstörungen führten dazu, dass auch die Befruchtungsrate sich sehr indifferent zeigt. Je nach Sorte, aber auch innerhalb einzelner Rebstöcke, gibt es deshalb sichtbare Verrieselungsschäden.
Die Niederschlagssummen im Anbaugebiet waren im Juni sehr unterschiedlich (45 bis über 100 Liter/m²). Ob im Laufe der nächsten Tage oder Wochen beregnet werden soll, muss für jeden Standort zuvor kritisch geprüft werden. Zu viel Wasser ist genauso schädlich wie zu wenig. So eine richtige stabile Hochdruckwetterlage war bisher nicht gegeben und ist auch nicht in Sichtweite. Dennoch haben die höheren Temperaturen in der letzten Woche zu einem kräftigen Wachstumsschub geführt. Auch in frostgeschädigten Weinbergen ging es jetzt vorwärts – leider vielfach ohne Traubenansatz. In vielen Weinbergen wurde nach den Heftarbeiten der erste Laubschnitt durchgeführt.
Erfahrungen aus vielen zurückliegenden Jahrgängen zeigen, dass verdichtete Traubenzonen bei ungünstigen Reifebedingungen gravierende Nachteile für die Traubengesundheit haben. Wo noch nicht geschehen, kann bei den aktuell moderaten Temperaturen noch die Traubenzone teilentblättert werden. Das gilt besonders für rote Sorten auch im Hinblick auf Vorbeugung gegen späteren Befall mit Kirschessigfliege. Das Risiko von Sonnenbrandschäden steigt, je später die Entblätterung stattfindet oder wenn gar später, kurz vor einer Hitzewelle, entblättert wird. In Trollinger Beständen besteht besonders auf der Südwestseite eine größere Gefahr für Sonnenbrand. Aber auch Weißweinsorten wie Grauburgunder oder Riesling kann die Nachmittagssonne bei Temperaturen von deutlich über 30° C gefährlich werden. Deshalb lässt man auf dieser Seite lieber ein paar Blätter mehr über den Trauben. Auch wenn kritische Temperaturwerte momentan nicht in Sichtweite sind, kann es noch bis Mitte August (Weichwerden der Beeren) zu Schäden durch extreme Hitze kommen. Wer allerdings mit der Entblätterung bis Mitte/Ende August zuwartet, hat ein arbeitswirtschaftliches Problem. Bei diesem späten Termin ist eine maschinelle Entblätterung nicht mehr anzuraten. Schädigungen an reifenden Trauben führen sonst zu Fäulnis.
Dort wo Traubenteilen geplant ist (vornehmlich in Premiumanlagen), sollte nicht mehr lange zugewartet werden. Beerenverletzungen sind aktuell noch kein Problem. Ab Reifebeginn und damit eingelagerter Süße ist diese Premiummaßnahme bei kompakteren Sorten nicht mehr sinnvoll. Bei sehr lockeren Trauben könnte mit einer spitzen Schere auch noch später geteilt werden. Das erfordert aber mehr Sorgfalt und ist zeitaufwändiger.
Verschiedenste Gewitterzellen zogen in den letzten Tagen durchs Land. Neben örtlich starken Regenfällen war auch teilweise Hagel dabei. Üblicherweise verwächst sich zu diesem Stadium, wenn noch keine Süße eingelagert wurde und die Laubwand nicht völlig zerfetzt wurde, der Schaden teilweise wieder. Ein Wachstumsschock von ein bis zwei Wochen ist aber zu erwarten, wenn die Laubwand durchlöchert wurde. Abgeschlagene Traubenteile oder angeschlagene Beerchen trocknen normalerweise bei Sommerwetter vollständig ein. Aufgrund der aktuell gemeldeten durchwachsenen Wetteraussichten ist eine Botrytisbehandlung mit einem Spezialbotrytismittel in diesem Fall aber als zusätzlicher „Versicherungsschutz“ zu überlegen.
Auch ohne Hagel ist ein Botrytismittel zum Stadium kurz vor Traubenschluss bei Weinbergen mit kompakten Trauben als vorbeugender Fäulnisschutz in manchen Jahren hilfreich. Kurz vor dem Traubenschluss kann letztmalig das Stielgerüst und können die Beerenansatzstellen vor frühen Infektionen durch Botrytis geschützt werden. Geeignete Präparate sind z.B. Switch, Cantus (Resistenzgruppe L), Kenja (Resistenzgruppe L), Teldor oder Prolectus.
Pflanzenschutz
Peronospora:
Die Peronospora lebt noch! Pünktlich zum Ablauf der Inkubationszeit der Niederschläge aus der ersten Junihälfte sind ab Montag, 22. Juni Ölflecken gemeldet worden. Nicht viele und auch nicht flächendeckend, aber immerhin. Lokale Gewitterszenarien haben sicher dazu geführt, dass dadurch Sporen verbreitet wurden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auf Grund des starken Zuwachses der letzten Woche und einiger Gewitterschauer weitere Peronosporaflecken auftauchen. Eine generelle Explosion der Krankheit wird aufgrund des fortgeschrittenen Wachstums und erfolgter Behandlungen aber nicht erwartet. Zudem verlieren auch die Trauben allmählich ihre Empfindlichkeit, da sich Spaltöffnungen langsam schließen.
Die Spritzabstände richten sich grundsätzlich nach dem Neuzuwachs, nach wetterbedingten Infektionsmöglichkeiten und nach dem Infektionsdruck in den Anlagen. Aktuell sind Abstände zwischen 10 und 14 Tagen möglich. Immer natürlich mit Blick auf gemeldete Gewitterfronten. Die Abschlussspritzung mit Kupfermitteln (21 Tage Wartezeit) findet überwiegend in der ersten Augustwoche statt. Entsprechend sollten die letzten, vermutlich drei, Behandlungen terminiert werden. Empfohlen werden jetzt Kontaktfungizide ohne Zusatz von Phosphonaten. Bei Spritzungen nach Gewitterregen können auch tiefenwirksame Präparate zum Einsatz kommen. Ab jetzt sollten nur noch Mittel Verwendung finden, die weniger als 49 Tage Wartezeit aufweisen.
Oidium:
Ab Anfang bis Mitte Juli können frühere Behandlungslücken bei der Oidiumbekämpfung so langsam an den Trauben und Beerchen festgestellt werden. Es sind meist Einzelbeerchen, die teilweise mit einem hellen Pilzgeflecht überzogen sind. An den Blättern sind es einzeln lokalisierte Befallsstellen. Auf der Blattoberseite ist ein heller Schimmer zu sehen. Direkt darunter auf der Blattrückseite sind die Blattadern in diesem Bereich leicht verbräunt. Je früher Anfangsbefall festgestellt wird, desto eher kann auch noch heilend eingegriffen werden.
Kontrollieren Sie ihre Anlagen in den nächsten Tagen und Wochen regelmäßig intensiv auf Befall und beachten Sie bei der Mittelwahl unbedingt die Empfehlungen zum Resistenzmanagement. Sollte sich beginnender Befall zeigen, muss schnell reagiert werden. Zu Sondermaßnahmen bei akutem Oidiumbefall gibt es auf der Internetseite des Landwirtschaftsamtes Informationen: https://heilbronn.landwirtschaftbw.de/pb/,Lde/Startseite/Fachinformationen/Fachinfo_Weinbau
Grundsätzlich nimmt die Anfälligkeit der Traubenbeeren ab Erbsengröße auch bei Oidium ab. Allerdings ist zu beachten, dass sich in frostgeschädigten Anlagen und später verblühten Weinbergen auch noch Nachzüglertrauben in einem empfindlicheren Stadium befinden. Sollte jetzt Beerenbefall gefunden werden, liegt die Infektion zwei bis drei Wochen zurück. Wichtig ist es, bekannte gefährdete Sorten und Standorte intensiv im Blick zu behalten. Für die in dieser oder nächster Woche geplanten Spritzungen kann noch einmal ein Mittel der neueren Generation (Talendo oder Dynali oder Vivando bzw. Kusabi **) zum Einsatz kommen.
** Im Rahmen des Resistenzmonitorings 2019 wurden im Anbaugebiet Württemberg einzelne angepasste Stämme des Oidiumpilzes gegenüber dem Wirkstoff Metrafenone (Vivando) gefunden. Das Ergebnis ist einjährig und unterliegt keiner mehrjährigen Entwicklung. Es sollte deshalb nicht überbewertet werden. Die Wirkstoffgruppe K, zu der neben Metrafenone auch Pyriofenone (Kusabi) gehört, soll langfristig für die Oidiumstrategie erhalten bleiben. Deshalb wird vorsorglich für die Saison 2020 der Einsatz der Wirkstoffgruppe K mit nur einer Anwendung empfohlen. Diese sollte
vorzugsweise außerhalb des Mehltaufensters liegen.
Herbizideinsatz:
Bei jedem Herbizideinsatz sollte der Minimierungsgedanke, wie auch bei allen anderen Pflanzenschutzmaßnahmen, im Vordergrund stehen. Wer danach handelt, braucht kein schlechtes Gewissen haben, wenn zugelassene Mittel den Regeln entsprechend eingesetzt wird. Auch für Herbizide gilt, die Wartezeiten einzuhalten:
Zum Minimierungsgedanken gehört insbesondere:
- Keine Trauben und keine Blätter treffen
- Möglichst früh mit den Herbizidmaßnahmen abschließen.
- Das Behandlungsband möglichst schmal halten (30 -40 cm müssen genügen)
- Am Ende der Rebzeile (z.B. Anker als Grenze erkennen) mit der Behandlung aufhören
- Aus gegebenem Anlass wird darauf hingewiesen, dass auf öffentlichen Flächen liegende Wasserstaffeln, Wegränder und Böschungen ohne ausdrückliche Sondergenehmigung nicht behandelt werden dürfen. Auch Böschungen auf Privatgrund sind tabu!
Traubenwickler:
Der Flug des Bekreuzten Traubenwicklers hat begonnen. Ein Flughöhepunkt ist aus heutiger Sicht noch nicht absehbar. Für eine Behandlung in dieser Woche ist es noch etwas zu früh und bei der dann folgenden Behandlung möglicherweise etwas spät. Empfohlener Zeitpunkt der Mittel gegen den Sauerwurm ist die Zeit, ungefähr acht Tage nach dem Flughöhepunkt. Hier zeigt sich wieder einmal der Vorteil der Verwirrtechnik. Einmal im April ausgehängt, und alles ist gut. Bitte beachten, dass das Mittel „Steward“ seit diesem Jahr als bienengefährlich eingestuft wurde und bei
blühendem Unterwuchs nicht verwendet werden darf.
Sonstiges und Mittelmenge
- Richtigstellung: Im letzten Rundschreiben wurde die Aufbrauchfrist vom Peronosporamittel „Vincare“ irrtümlich mit 30.06.2020 angegeben. Richtig ist das Datum 30.06.2021. Das Mittel darf somit dieses Jahr und in der ersten Hälfte des nächsten Jahres noch eingesetzt werden.
- Die Mittelmenge orientiert sich an der 4-fachen Basisaufwandmenge
- Viele Erzeugergemeinschaften haben eigene Vorgaben für den Zeitraum der Abschlussbehandlungen. Diese Vorgaben sind bindend und von den Mitgliedern zu beachten.
- Die Gerätereinigung nach dem Pflanzenschutz darf niemals in der Nähe von Hofeinläufen stattfinden. Restbrühe oder Reinigungswasser mit Mittelrückständen darf keinesfalls in die Kanalisation, da Kläranlagen die Wirkstoffe nicht aus dem Schmutzwasser herausfiltern und dadurch die Mittel über die Kläranlage in Oberflächengewässer gelangen.
- Stöcke mit Esca und Schwarzholzkrankheit sind ab jetzt wieder sichtbar. Wenn gesunde Stockaustriebe an diesen Stöcken vorhanden sind, sollten diese Austriebe belassen und vor Herbizid geschützt werden. Dazu eignen sich zum Beispiel Pflanzröhrchen, die längsseits geschlitzt leicht angebracht werden können.
- Ohrwürmer sind massenhaft vorhanden. Sie lieben die Dunkelheit und „nisten“ sich daher mit Vorliebe in kompakten Trauben und verdichteten Laubwänden ein. Alle Maßnahmen, die eine Lockerung des Traubens und der Laubwand mit sich bringen und Licht rein lassen, wirken daher einer Besiedlung entgegen.
- Für Trauben, die für den Direktverzehr erzeugt werden, gelten eigene Zulassungen. Tafeltrauben (Hofladen, Wochenmarkt, Lebensmittelhandel) sind also nur verkehrsfähig, wenn sie mit eigens für den Anbau von Tafeltrauben zugelassenen Mitteln behandelt werden. Dies wird seitens der Lebensmittelbehörden kontrolliert.
- Brennnesseln jetzt stehen lassen! Überträgerzikaden der Schwarzholzkrankheit werden durch die Entfernung ihrer Wirtspflanzen (z.B. Brennnesseln) gezwungen, andere Pflanzen, z.B. die Rebe anzufliegen. Das gilt es zu verhindern.
- Arbeitsschutz: Achten sie darauf, dass die erforderliche Schutzausrüstung in ausreichender Menge vorhanden ist.
Hinweise und Auflagen in den Gebrauchsanleitungen der Pflanzenschutzmittel, insbesondere zum Bienenschutz und der persönlichen Schutzausrüstung, sind immer zu beachten.
Diese Rebschutzmitteilung kann auch im Internet abgerufen werden: https://heilbronn.landwirtschaft-bw.de/pb/Lde/Startseite/Fachinformationen/Fachinfo_Weinbau
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