
Qualität im Glas beginnt mit guter Arbeit im Weinberg
Die Freude über die gute Qualität kompensiert die Enttäuschung über die geringere Erntemenge: Die 71 badischen Winzergenossenschaften haben sich in einem witterungsbedingt herausfordernden Jahr gut behauptet und bringen einen soliden Weinjahrgang 2024 in den Keller.
von red Quelle Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e. V. erschienen am 26.09.2024„Die heißen Spätsommerwochen kamen zum richtigen Zeitpunkt, ließen das Mostgewicht schnell ansteigen und führten zu einer sehr guten Aromareife der Trauben. Dank der guten Wasserverfügbarkeit haben sich die Reben prächtig entwickelt“, betont Dr. Ulrich Theileis, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), bei der Pressekonferenz zum Weinherbst in Baden. „Verbraucher können sich auf hochwertige badische Genossenschaftsweine freuen“, ergänzt Theileis in der Alde Gott Winzer Schwarzwald eG in Sasbachwalden.
Regionale Frostschäden
Die badischen Winzer haben jedoch bei der Erntemenge Einbußen hinzunehmen: Der BWGV rechnet mit einer um 15 bis 20 %geringeren Lesemenge im Vergleich zu den Vorjahren. Theileis erklärt: „Die Spätfröste in der zweiten Aprilhälfte haben starke Spuren hinterlassen. Die Mengen von 95 und 90 Millionen Litern in 2023 und 2022 werden wir weit verfehlen. Auch im Mehrjahresvergleich wird die Erntemenge unterdurchschnittlich ausfallen.“
Die Frostnächte zwischen dem 21. und 24. April trafen vor allem die Ortenau, Teile Nordbadens, Tauberfranken und den Kraichgau, während der Kaiserstuhl und das Markgräflerland weitgehend verschont blieben. „Der niederschlagsreiche Winter und das warme Frühjahr führten zu einem frühen Austrieb und erhöhten die Frostanfälligkeit“, erklärt Theileis. Einige Betriebe beklagen Ausfälle von bis zu 80 %. Rebanlagen, die vom Frost verschont blieben, zeigten einen raschen Vegetationsverlauf.
Das vergangene Jahr war das niederschlagreichste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, was die Winzer im Pflanzenschutz vor große Herausforderungen stellte. „Der Infektionsdruck für Rebenperonospora (falscher Mehltau) war hoch, was einen immensen Mehraufwand erforderte. Die Winzer haben großartige Arbeit geleistet und die Reben gesund erhalten“, so Theileis. Mit zusätzlicher Handarbeit, fachlichem Austausch und Prognosemodellen meisterten die Winzer diese Herausforderungen. Für die verbleibenden Erntetage hoffen sie auf goldene Herbsttage mit wenig Niederschlag, moderaten Temperaturen und viel Sonne.
Gute Mostgewichte
Die Lese der frühen Sorten begann Anfang September, die Hauptlese startete vergangene Woche. Theileis erwartet, dass die Lese bis Anfang Oktober weitgehend abgeschlossen sein wird, abhängig von der Wetterlage. Die durchschnittlichen Mostgewichte sind vielversprechend: Müller-Thurgau liegt bei 80 Grad Oechsle, Weißburgunder und Grauburgunder zwischen 88 und 90 Grad, und Spätburgunder bei rund 92 Grad Oechsle.
Stabiler Absatz und Umsatz
In einem wettbewerbsintensiven Marktumfeld konnten sich die badischen Winzergenossenschaften behaupten: Der Absatz im ersten Halbjahr 2024 lag mit 38,4 Millionen Litern Wein und Sekt auf dem Niveau des Vorjahres. Der Umsatz war mit rund 126,2 Millionen Euro nahezu identisch. 2023 verkauften die badischen Winzergenossenschaften 77,8 Millionen Liter Wein und Sekt, der Umsatz sank auf 245,2 Millionen Euro. „Nach den Rückgängen im Jahr zuvor hat sich die Lage stabilisiert“, betont Theileis.
Prekäre wirtschaftliche Situation
Dennoch ist die wirtschaftliche Situation für viele Betriebe prekär. „Die Produktionskosten sind um rund 30 % gestiegen. Dies entzieht der Branche zunehmend die wirtschaftliche Tragfähigkeit“, so Theileis. Im ersten Halbjahr 2024 sank der gesamte Weinabsatz deutscher Weine im Einzelhandel um 10 %.
Theileis mahnt: „Die heimischen Winzer können nicht alles alleine schultern. Auch Handel und Verbraucher sind gefordert.“ Besonders der Lebensmitteleinzelhandel müsse die Betriebe in Preisverhandlungen unterstützen. „Unsere Genossenschaftsweine brauchen sich nicht vor internationaler Konkurrenz zu verstecken“, fügt er hinzu. Die Winzergenossenschaften reagieren mit Produktinnovationen auf neue Kundenwünsche und bieten zunehmend alkoholreduzierte und alkoholfreie Weine an.
Wettbewerbsnachteil darf sich nicht verschärfen
Der BWGV kritisiert die Absicht des Bundesarbeitsministers, den Mindestlohn ab 2026 auf 15 Euro zu erhöhen. „Im handarbeitsintensiven Bereich der Sonderkulturen ist der Mindestlohn entscheidend. Die Betriebe sind bereits durch hohe Steuern, Energie- und Lohnkosten belastet. Ein weiterer Wettbewerbsnachteil droht, was insbesondere im Weinbau zu Betriebsaufgaben führen könnte“, warnt Theileis. Er fordert eine angepasste Regelung für ungelernte Kräfte, um die Betriebe zu entlasten.
Bürokratieabbau notwendig
Theileis sieht auch bei der Bürokratie und den Dokumentationspflichten Handlungsbedarf. „Wichtig ist, mehr Bürokratie abzubauen als neue aufzubauen. Das One-in-two-out-Prinzip muss konsequent umgesetzt werden“, fordert er und weist auf die regionalen Unterschiede bei Antragsstellungen hin.
Pflanzenschutz ist existenziell
Positiv bewertet Theileis die bundespolitischen Pläne zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. „Es ist gut, dass starre Reduktionsziele und pauschale Verbot nicht national durchgesetzt werden. Gerade das herausfordernde Jahr 2024 hat gezeigt, wie existenziell Pflanzenschutz ist“, unterstreicht er.
Zwei Drittel des badischen Weins werden von den Winzergenossenschaften erzeugt, die insgesamt 9777 Hektar bewirtschaften und rund 950 Mitarbeitende beschäftigen. „Unsere Genossenschaften tragen zur Pflege unserer Kulturlandschaft und damit zur Lebensqualität und zum Tourismus im Land bei“, so Theileis.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.