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Studienergebnisse DHBW Heilbronn, EIP Agri ImPACT OOH

Wer ist die Zielgruppe im Außer-Haus-Markt?

Der Weinkonsum in Deutschland sinkt, doch der Außer-Haus-Markt bietet neue Perspektiven. Eine umfassende Zielgruppenanalyse zeigt, welche Vertriebs­kanäle relevant sind, wie Konsumenten Wein und Saft kaufen und welche Preisstrategien Erfolg versprechen. Winzer können mit gezielten Maßnahmen ihre Verkaufschancen erhöhen.

von DHBW Heilbronn erschienen am 03.04.2025
Junge Menschen trinken gemeinsam Wein. © Deutsches Weininstitut (DWI)
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Die Weinbranche sieht sich mit veränderten Verbraucherwünschen, einem sinkenden Weinkonsum und einem herausfordernden Einzelhandelsumfeld konfrontiert. Laut NielsenIQ HomeScan haben im ersten Quartal 2024 nur noch 34,4 % der deutschen Haushalte Wein gekauft – ein Rückgang im Vergleich zu 36,1 % im Vorjahr und 42,3 % in 2021. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH), über den in Baden-Württemberg traditionell ein Großteil der Weine verkauft wird, verliert weiter an Boden. Das Marktforschungsinstitut Circana berichtet von einem Absatzminus von 4,8 % und einem Umsatzrückgang von 3,2 % seit Jahresbeginn 2024.

Doch es gibt auch positive Signale: Der Außer-Haus-Markt gewinnt an Bedeutung, vor allem bei jungen Konsumenten. Laut Gedat-Zahlen verzeichnete der Getränkefachgroßhandel im September 2024 ein Absatzplus von 2,2 % im Vergleich zum Vormonat, im Jahresdurchschnitt ein Wachstum von 0,7 % gegenüber 2023. Dieser Markt wird für Wein- und Fruchtsafthersteller zunehmend attraktiver.

Im Rahmen des EIP-Agri-Projekts „Impulskanäle im Außer-Haus-Markt“ untersuchte das Team der DHBW Heilbronn, darunter die Projektleiter Prof. Dr. Ralph Scheubrein und Prof. Dr. Martina Boehm sowie die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Lukas Kugele und Anika Stollsteimer, welche Vertriebskanäle Potenzial bieten. Eine umfangreiche Zielgruppenanalyse mit 1800 Befragten lieferte aufschlussreiche Erkenntnisse über Kaufverhalten und Konsumpräferenzen.

Welche Kanäle sind relevant?

Untersucht wurden die folgenden Vertriebskanäle: Tankstellen, Kioske, Automaten, Hofläden und Vinotheken. Sie zeichnen sich durch hohe Convenience und spontane Kaufanlässe aus:

  • Tankstellen und Kioske: Die am häufigsten genutzten Kanäle mit einer Reichweite von 50 %. Hier dominieren impulsgetriebene Käufe von Weinschorlen und kleinen Saftgebinden.
  • Hofläden und Automaten: Mit einer jährlichen Reichweite von 65 % bieten sie Potenzial für größere Gebinde und regionale Produkte.
  • Vinotheken: Sie bilden mit 40 % Reichweite das Schlusslicht, werden jedoch für hochwertige Weine bevorzugt.

Betrachtet man die Kaufhäufigkeit von Getränken, zeigt sich, dass 94 % der Befragten mindestens einmal im Quartal Saftschorlen konsumieren, gefolgt von Wein (73 %) und Sekt (63 %). Während alkoholfreie und alkoholische Getränke in Kiosken und Tankstellen gleichermaßen beliebt sind, sind Hofläden und Automaten stärker auf Heimgebrauch ausgerichtet. Der LEH schneidet im Vergleich zu Convenience-Kanälen überraschend schlecht ab: Die Auswahl und Qualität von Weinen werden hier schlechter bewertet als bei Automaten und Hofläden.

Welche Preisstrategien funktionieren?

Die Analyse der Preisbereitschaft zeigt deutliche Unterschiede je nach Vertriebskanal:

  • Geringe Preisbereitschaft im LEH und Discounter: 36 % der Befragten würden hier weniger als 5 Euro für eine Flasche Wein ausgeben.
  • Mittlere bis hohe Preisbereitschaft in Convenience-Kanälen: In Kiosken, Tankstellen, Automaten, Hofläden und im Internet liegt die akzeptierte Preisspanne zwischen 5 und 15 Euro.
  • Höchste Zahlungsbereitschaft direkt beim Winzer: 30 % der Befragten sind bereit, mehr als 15 Euro pro Flasche auszugeben.

Unabhängig vom Kanal zeigen sich keine signifikanten Unterschiede in der Beliebtheit von Weiß-, Rosé- und Rotwein. Kleinere Gebinde haben insbesondere im Convenience-Segment das größte Potenzial.

Vergleich der Kaufbereitschaft verschiedener Produkte in Anhängigkeit der Channels.
Vergleich der Kaufbereitschaft verschiedener Produkte in Anhängigkeit der Channels: ©

Wer kauft Wein im Außer-Haus-Markt?

Auf Basis der Studie wurden vier Personas definiert:

Die budgetorientierte Neuling „Chantal“ (18 % der Befragten) gehört zur jüngeren Generation mit einem Einkommen von unter 3000 Euro monatlich. Sie legt wenig Wert auf Weinwissen und bevorzugt vor allem günstige Getränke, die leicht zugänglich sind. Ihre bevorzugten Einkaufsstätten sind Kioske und Tankstellen, wo sie vor allem preiswerte Saftschorlen und Weinschorlen in kleinen Verpackungen kauft. Chantal ist sehr preissensibel und reagiert besonders gut auf Promotions und Rabatte. Ihre Kaufentscheidungen sind impulsiv und oft an den Moment gebunden – Angebote und praktische Kleinverpackungen können daher ihre Kaufbereitschaft erhöhen.

Die traditionsbewusste Käuferin „Waltraud“ (22 % der Befragten) zählt zur älteren Generation und legt Wert auf Tradition und Regionalität. Sie verfügt über ein mittleres Einkommen und kauft selten in Convenience-Kanälen ein. Stattdessen bevorzugt sie Hofläden und Automaten, wo sie gezielt regionale Weine und Saftprodukte für den heimischen Genuss erwirbt. Waltraud ist weniger preissensibel als Chantal und weniger experimentierfreudig. Große Verpackungseinheiten oder Gebinde sind für sie besonders attraktiv. Für Winzer bedeutet das: Eine klare Kommunikation der regionalen Herkunft sowie hochwertige, traditionsbewusste Präsentationen sind essenziell, um diese Zielgruppe anzusprechen.

Der unkomplizierte Convenience-Käufer „Stefan“ (45 % der Befragten) ist die größte Zielgruppe und zeichnet sich durch pragmatisches Konsumverhalten aus. Er hat ein durchschnittliches Einkommen und kauft regelmäßig in Tankstellen, Kiosken, Hofläden und Automaten ein. Stefan bevorzugt einfache, zugängliche Produkte und achtet auf eine gute Mischung aus Qualität und Preis. Besonders Saft- und Weinschorlen in To-Go-Formaten sind für ihn interessant, da er Wert auf Bequemlichkeit legt. Aktionen und Promotions können ihn ebenso ansprechen wie eine große Verfügbarkeit der Produkte. Stefan trifft seine Kaufentscheidungen meist spontan, daher sind auffällige Platzierungen und praktische Verpackungsformate ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Der Wein-Connaisseur „Maximilian“ (15 % der Befragten) ist ein qualitätsbewusster Genießer mit hohem Einkommen (über 4800 Euro monatlich). Für ihn ist Wein ein Bestandteil seines Lebensstils, den er sowohl in geselliger Runde als auch als Ausdruck von Genusskultur schätzt. Maximilian kauft überdurchschnittlich häufig in Vinotheken und Hofläden ein, nutzt jedoch auch Kioske oder Tankstellen für den Kauf hochwertiger To-Go-Produkte wie Premium-Weinschorlen. Er legt großen Wert auf exklusive, edle Verpackungen und ist bereit, höhere Preise für qualitativ hochwertige Weine zu zahlen. Für Winzer bietet diese Zielgruppe ein großes Potenzial im gehobenen Segment – eine gezielte Ansprache über Qualität, Regionalität und Exklusivität ist entscheidend.

Welche Maßnahmen können Winzer treffen?

Aus den Ergebnissen der Analyse lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten:

  • Gezielte Verpackungsgrößen: Kleine Gebinde (0,25 l-Dosen, 0,33 l-Flaschen) eignen sich für Kioske und Tankstellen, während größere Verpackungen für Hofläden attraktiver sind.
  • Kanalbezogene Preisstrategie: Budgetbewusste Käufer lassen sich durch Promotions ansprechen, während Premium-Weine gezielt für Connaisseurs positioniert werden sollten.
  • Regionalität als Verkaufsargument: Traditionsbewusste Kunden legen Wert auf regionale Produkte mit Herkunftsnachweis.
  • Sortimentsanpassung für Convenience-Channels: Weinschorlen und Seccos sind in Tankstellen besonders gefragt, während Standard-Weinflaschen in Kiosken Anklang finden.
  • Ländliches Vending ausbauen: Automaten in Hofläden erzielen überdurchschnittlich hohe Kaufwahrscheinlichkeit und Preisbereitschaft für alle Getränkekategorien.

Was sind die Ergebnisse der Studie?

Die Studie zeigt: Der Weinmarkt in Deutschland wandelt sich. Während der klassische Weinkauf über den LEH an Bedeutung verliert, gewinnen Außer-Haus-Kanäle wie Tankstellen, Kioske und Verkaufsautomaten immer mehr an Bedeutung. Sie bedienen vor allem spontane Konsumanlässe und sprechen jüngere sowie pragmatisch orientierte Käufergruppen an.

Winzer, die sich erfolgreich im Außer-Haus-Markt positionieren möchten, sollten ihre Produkte gezielt auf die unterschiedlichen Konsumententypen zuschneiden. Für den preisbewussten, jüngeren Käufer sind Promotions und kleine, handliche Verpackungen essenziell, während traditionsbewusste Kunden vor allem in Hofläden nach hochwertigen, regionalen Weinen suchen. Convenience-orientierte Käufer bevorzugen flexible, leicht verfügbare Produkte, während Premium-Kunden nach exklusiven Weinen mit ansprechender Verpackung Ausschau halten.

Besonders Saftschorlen und Weinschorlen bieten großes Potenzial in allen Convenience-Kanälen. Sie sind leicht konsumierbar und sprechen mehrere Zielgruppen gleichzeitig an. Kleinere Verpackungsgrößen haben die höchste Kauffrequenz und eignen sich ideal für den Sofortkonsum. Hochwertige Weine und Secco-Varianten sollten vor allem in Hofläden und Vinotheken gezielt platziert werden, um die zahlungskräftige Kundschaft bestmöglich zu erreichen.

Für Winzer bedeutet dies, dass die traditionelle Absatzstrategie überdacht werden muss. Neben dem LEH bieten sich neue, lukrative Vertriebswege, die gezielt bespielt werden sollten. Wer seine Produkte an die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Käufergruppen anpasst und seine Vertriebskanäle strategisch erweitert, kann den Herausforderungen des rückläufigen Weinkonsums erfolgreich begegnen und neue Marktpotenziale nutzen.

Kontakt

DHBW Heilbronn

Studiengang Wein-Technologie-Management

Prof. Dr. Martina Boehm

Mail: martina.boehm@dhbw.de

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