
Württembergs Weinwirtschaft im Strukturwandel
Erstmals nach dem Ende der Coronapandemie lud der Weinbauverband Württemberg wieder zur öffentlichen Mitgliederversammlung in den großen Festsaal der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) nach Weinsberg. Der Einladung folgten rund 60 Gäste und Mitglieder, darunter auch Peter Hauk MdL, der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, sowie Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Landwirtschaftsämter.
von WVW erschienen am 06.05.2024In der Begrüßung erinnerte Vizepräsident Peter Albrecht an den verstorbenen Präsidenten Hermann Hohl, der den Verband weit über drei Jahrzehnte führte. Bei der Suche nach einer Nachfolge für das vakante Amt prüft der Verband derzeit alle Optionen, um dem Strukturwandel bei den Mitgliedern und den Anforderungen an das Ehrenamt gerecht zu werden. „Unser Ziel ist, bis zum kommenden Jahr eine personelle und strukturelle Neuaufstellung des Verbands vorgenommen zu haben. Aufgrund unserer Satzung sind wir handlungsfähig“, gibt Albrecht einen Ausblick auf die kommenden Monate und stellt zugleich fest, im Vorstand keine voreiligen Beschlüsse fassen zu wollen.
Neue Absatzwege und Zielgruppen
In zwei Impulsvorträgen von Christian Schwörer, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbands und von Uwe Michelfelder aus dem Referat Betriebswirtschaft der LVWO Weinsberg wurde deutlich, dass aufgrund des global rückläufigen Weinkonsums und damit auch Weinabsatzes der Weinsektor maximal leidet. Michelfelder führte aus, dass das Weinbaugebiet Württemberg aufgrund seiner Topografie und der Kleinparzellierung nicht im Billigpreissegment produzieren kann und entsprechend aufgrund des hohen Preisdrucks an Absatzmengen verlieren könnte. Krisen sind nach Auffassung von Michelfelder aber immer auch Chancen, in denen bisher Undenkbares möglich wird.
Um die Erlösseite nachhaltig zu verbessern, bedarf es neuer Absatzwege und der Erschließung neuer Zielgruppen: Ein längerer und mühsamer Prozess, der für die Betriebe jedoch überlebenswichtig ist. Michelfelder rät den Weinbaubetrieben zur aktiven Beteiligung an der Vermarktung, um eine größere Reichweite für die eigenen Erzeugnisse erzielen zu können. Schwörer sah in neuen Vermarktungswegen ebenfalls eine Chance für die Zukunft. Entalkoholisierte Weine und Wein-Misch-Getränke sind zwar derzeit noch Nischenprodukte, werden jedoch von bisher wenig weinaffinen Zielgruppen verstärkt nachgefragt.
In der Europäischen Politik wird derzeit weiterhin kontrovers über Krisenmaßnahmen diskutiert, die vorrangig von den großen weinbautreibenden Ländern Frankreich, Spanien und Italien gefordert werden. Zum heutigen Zeitpunkt ist aber keine Einigung und somit keine Unterstützung für den Sektor absehbar. Schwörer führte weiter aus, dass in den ländlichen Gebieten oft keine alternative landwirtschaftliche Nutzung der Flächen möglich sei. Weinbau trägt zur Biodiversität in diesen Regionen bei. Mit dem Rückgang der Rebfläche geht Biodiversität verloren. Es besteht weiterhin Aufklärungs- und Informationsbedarf bei Verbrauchern und gegenüber der Gesellschaft.
Im Kontext der Erschließung neuer Zielgruppen bei der Vermarktung zeigte Werner Bender, Vorstand der Weinmehrweg eG auf, welche Chancen visionäre Ideen wie die Einführung einer 0,75 Liter Mehrwegglasflasche für die Betriebe und das Weinbaugebiet haben können. Bereits 13 Betriebe haben sich der Initiative angeschlossen und vermarkten mittlerweile überregional Weine. „Die Nachhaltigkeit ist für viele Verbraucher ein wichtiger Faktor bei der Kaufentscheidung, sodass wir mit der neuen Mehrwegflasche diesem Bedürfnis gerecht werden“, fasst Bender die bisher guten Erfahrungen und Reaktionen von Handel und Verbrauchern seit der Markteinführung zusammen.
Ungepflegte Parzellen
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion griff Vizepräsident Albrecht ein weiteres aktuelles Thema auf. In den Weinbergen sorgen vermehrt nicht gepflegte Parzellen zu Frust und Mehrarbeit bei den Winzern. Wenngleich der gesetzliche Rahmen die Mindestpflegepflicht von landwirtschaftlichen Grundstücken vorsieht, verwahrlosen zahllose Flächen. Die Überwachung der Bewirtschaftungs- und Pflegepflicht obliegt der jeweiligen Gemeinde. Albrecht appellierte demnach an die anwesenden Vertreter der Kommunen, das geltende Recht in der Fläche auch umzusetzen.
Weitere Informationen zur Mindestpflegepflicht finden Sie unter anderem auf der Homepage des Rems-Murr-Kreises, der die angeschlossenen Kommunen bereits aktiv über deren Aufgaben informierte. Siehe Rubrik „Aktuelles“ hier: https://www.rems-murr-kreis.de/bauen-umwelt-und-verkehr/landwirtschaft/weinbau
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