
CO2-Fußabdruck entlang der Wertschöpfungskette schrumpfen
Klimawandel, Ressourcenknappheit, gesellschaftliche Erwartungen: Viele Weingüter reagieren hierauf mit neuen, umweltschonenden Anbaumethoden und Rebsorten, Energieeinsparungen oder sozialem Engagement. Doch nachhaltiges Wirtschaften hört nicht am Tor des Weinguts auf. Vielmehr stellt sich die Frage, wie ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette gedacht und umgesetzt werden kann.
von Pia Marciano, Nicole Weymann, Benjamin Laux | Fair ’n Green Quelle Fair and Green erschienen am 14.07.2025Vom Weinberg über die Abfüllung und Verpackung bis zu Vertrieb und Handel: Wer seinen Produktionsprozess ganzheitlich auf Nachhaltigkeit abklopfen will, muss alle Akteure einbeziehen, die an der Entstehung und Vermarktung des Weins beteiligt sind. Damit rückt auch das Zusammenspiel zwischen Produzenten, Zulieferern und Vertriebspartnern in den Fokus – eine Entwicklung, die neue Anforderungen, aber auch viele Chancen mit sich bringt. Ob Glashersteller, Verpackungsdienstleister oder Logistikpartner – sie alle beeinflussen den ökologischen Fußabdruck eines Weins maßgeblich. Werden diese Partner in den Prozess eingebunden, können nicht nur Emissionen reduziert, sondern auch Innovationen gefördert und neue Standards gesetzt werden.
Ganzheitlicher Ansatz statt Insellösungen
Als sich vor fünf Jahren eine Etikettendruckerei und ein Weinhändler Fair ’n Green anschlossen, wuchs das Netzwerk über den Weinbau hinaus. Das strategische Ziel: vor- und nachgelagerte Partner wie Zulieferbetriebe, Dienstleister und Handel aktiv in den Nachhaltigkeitsprozess einzubeziehen. Um den verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden, wurde der Kriterienkatalog branchenspezifisch angepasst. Dabei basieren alle Versionen des Standards auf den gleichen drei Grundsäulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Sie gelten für alle teilnehmenden Betriebe und Partner. Die vierte Säule wird auf die spezifischen Nachhaltigkeitsaspekte der Branche angepasst. Diese Struktur stellt sicher, dass die individuellen Maßnahmen zur Branche passen, dabei aber stets auf einem einheitlichen, glaubwürdigen Fundament aufbauen. Alle Betriebe und Unternehmen müssen mindestens 50 Prozent der geforderten Punkte erreichen, dazu in alle vier Säulen mindestens 40 Prozent sowie eine jährliche Verbesserung um 3 Prozent bis zu einer Punktzahl von 80 Prozent aufweisen.
Netzwerk wächst stetig
Das starke Wachstum von Fair ’n Green fand in den vergangenen Jahren auch im Bereich der Wertschöpfungskette statt. Mitglieder des Verbands und zertifizierte Wertschöpfungspartner gibt es mittlerweile in den Bereichen Etikettendruck, Weinverschlüsse und im Weinhandel, darunter auch größere Handelspartner wie etwa Jacques‘ Wein Depot und die Schlumberger Vertriebsgesellschaft. Mit der Munich School of Wine (MSoW), eine Unternehmung der Weinhandlung Walter & Sohn in München, wurde außerdem eine erste Weinschule zertifiziert. Austausch mit weiteren Bereichen findet kontinuierlich statt mit dem Ziel, Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu gewinnen.
Individuelle Maßnahmen ausloten
Das Verfahren für Wertschöpfungspartner ist ähnlich wie das für die Weingüter: Die Unternehmen werden jährlich zertifiziert und verpflichten sich damit zu kontinuierlichen Verbesserungen. Während des Zertifizierungsprozesses erhalten die Unternehmen einen detaillierten Bericht mit konkreten Handlungsempfehlungen und einer Ökobilanz, die es ihnen ermöglicht, ihre Verbräuche mit denen der Vorjahre und anderer Unternehmen zu vergleichen. Zentrales Element ist, wie bei allen Betrieben bei Fair ’n Green, die begleitende Beratung der Unternehmen. So wird in den Kategorien der vierten Säule des Kriterienkatalogs branchenspezifische Maßnahmen analysiert, die den CO2-Fußabdruck reduzieren. Bei produzierenden Wertschöpfungspartnern (etwa Etikettendruck oder Verschlüsse) stehen vor allem der Energie- und Ressourcenverbrauch auf dem Prüfstand, bei Handelsbetrieben die Reduktion und umweltfreundliche Gestaltung des Verpackungsmaterials. Die Wertschöpfungspartner profitieren ihrerseits vom Zugang zum stetig wachsenden Fair ’n Green-Netzwerk, das neue Absatzmöglichkeiten, Partnerschaften und Kooperationen eröffnet.
2013 schlossen sich sieben Winzerinnen und Winzer zusammen, um mehr Nachhaltigkeit in die Weinwirtschaft zu bringen – die Geburtsstunde von Fair’n Green. Seitdem ist daraus ein wachsendes Netzwerk mit eigenem, etabliertem Nachhaltigkeitssiegel geworden. Dahinter steckt ein umfassendes System zur Förderung ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit in Weinbaubetrieben. Grundlage ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der teilnehmenden Betriebe mit jährlicher Zertifizierung. Betriebe, die die Zertifizierung erfolgreich abschließen, können das Fair’n Green-Siegel als sichtbares Zeichen ihres Engagements in der Kommunikation und auf ihren Produkten verwenden. Seit der Gründung ist der Verein stark gewachsen: Im Sommer 2025 waren es rund 180 Mitglieder im Verein aufgeteilt auf elf Länder.
Die Zusammenarbeit innerhalb der Wertschöpfungskette wird auch durch den Austausch unter den Mitgliedern im Verein gestärkt. Dadurch, dass die Betriebe der Wertschöpfungskette und die Weingüter eine Zertifizierung nach gleichem Muster durchlaufen, entwickelt sich ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit und verantwortungsvollem Wirtschaften, das zu neuen Partnerschaften führt.
Enger Austausch mit Lieferanten
Die Mitglieder werden dazu angeregt, mit ihren Lieferanten in den Dialog über Nachhaltigkeit zu treten und Veränderungen anzuregen. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten – im Dialog entstehen neue nachhaltige Produkte nah am Bedarf. Viele Verbesserungen sind längst gelebte Praxis, etwa die Verwendung von Recyclingpapier bei Etiketten und Kartonagen oder die Rücknahme von Trägerfolien bei Selbstklebe-Etiketten zur besseren Abfallverwertung. Aber auch scheinbar kleine Aspekte wie die Beschriftung von Korken mithilfe von Lasern kann den Prozess energieeffizienter gestalten als klassisches Einbrennen und ist ressourcenschonender als der noch übliche Einsatz von Farben zum Bedrucken.
Logistik als entscheidender Faktor
Bei jedem Branchenzweig, sei es Etikettendruck, Korkverarbeitung oder Weinhandel, spielt die Logistik eine wichtige Rolle. Es lohnt sich, hier anzusetzen, etwa durch das Nutzen von E-Mobilen oder recycelter Stretch-Folie – hier sind zertifizierte Partner gefragt. Andere Lösungen wie reduziertes Frachtgewicht durch Leichtglasflaschen oder Großgebinden oder auch Sammelbestellungen zur Reduzierung von Einzelfahrten setzen den Austausch mit Partnern voraus. Auch Kooperationen innerhalb des Netzwerks führen zum Ziel: So können Weinhandelsbetriebe etwa die Finanzierung und Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen bei Partnerweingütern unterstützen, die dafür die Flächen zur Verfügung stellen. Wenn Mitarbeitende des Wertschöpfungspartners bei der Umsetzung mithelfen, zum Beispiel in Form eines Team-Events, wird das abstrakte Thema Nachhaltigkeit plötzlich mit Händen greifbar und die Identifikation mit dem Thema im Team steigt.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.