
Gedrückte Stimmung in der Weinbaubranche
87 Weinerzeuger besuchten am 1. Februar 2024 die erste von sechs Bezirksversammlungen des Weinbauverbands Württemberg. Themen des Abends waren unter anderem die neue Schutzgemeinschaft, der Weinmarkt und die Wahl der neuen Bezirksvorsitzenden.
von Gustav Döttling erschienen am 12.02.2024Den Mitgliedern des Weinbaubezirks Weinsberger Tal und Öhringer Gegend, die zur Bezirksversammlung in die Eichelberger Kelter kommen, ist anzumerken, wie sehr die aktuelle Entwicklung in der Branche auf ihr Gemüt drückt.
„Die ganze Situation ist schon angespannt“, meint der Löwensteiner Weingutchef Harald Koppenhöfer. Sowohl der Markt als auch der politische Rahmen seien für die Weingärtner nicht vorteilhaft. „Für mich ist es beängstigend, wenn ich sehe, wie viele Weinberge gerade gerodet werden und was wir noch an Traubengeld erhalten“, klagt der Obersulmer Weingärtner Siegfried Schmidt. „Mir machen sinkende Erlöse und steigende Kosten die größten Sorgen“, berichtet Rolf Pfäfflin aus Bretzfeld-Siebeneich, Mitglied der Weinkellerei Hohenlohe. Eine ausufernde Bürokratie bemängelt der Hohenloher Weingärtner Helmut Weibler.
Neue Schutzgemeinschaft
Eichelbergs Ortsvorsteherin Pamela Grimm-Baumann überbringt zur Eröffnung der Versammlung die Grüße der Gemeinde. Der Bezirksvorsitzende Karl-Ulrich Vollert eröffnet seinen Kurzbericht mit den Worten: „Überschreiben könnte man den Rückblick auf das Jahr 2023 mit dem Spruch ‚Lächle, es könnte schlimmer kommen und es kam schlimmer‘.“ Die neu gegründete Schutzgemeinschaft „g. U. Württemberg“, die ebenfalls zur Versammlung eingeladen hat, habe ihre Arbeit aufgenommen. Neu sei für viele, dass man sich von der Politik nicht mehr alles gefallen lasse. Viel Sympathie ernte man aus der Bevölkerung bei Protestaktionen. Aber Sympathie mache nicht satt. Man müsse abwarten, ob die Verbraucher auch an der Ladenkasse Sympathie für heimische Produkte zeigen.
„Die Kuh bei der Pflanzenschutzreduktion ist vom Eis, wir können weiterarbeiten wie bisher“, gibt Vizepräsident Peter Albrecht in Vertretung des erkrankten Weinbaupräsidenten Hermann Hohl, einen Überblick über die Verbandsarbeit. Erhöht werde die Förderung der Handarbeitsweinberge wie Mauerweinberge und extremen Steillagen von 3000 auf 5000 Euro je Hektar.
Kostendruck und schwieriges Marktumfeld
Die Lage sei aktuell sehr schwierig, es herrsche ein hoher Kostendruck und die Stimmung in der Branche sei durchweg kritisch, stellt Weinbauberater Lukas Dürr aus Talheim fest. Er referiert an diesem Abend zum Thema Künstliche Intelligenz (KI), über den Pflanzenschutz und stellt mehrere extensive Rebenerziehungsmethoden zur besseren, maschinellen und kostensenkenden Bearbeitung vor.
Intensiv diskutieren die Weingärtner die Pflanzrechte bei der Stilllegung von Rebflächen sowie die ausufernde Bürokratie beim Pflanzenschutz. „Der Aufwand für die Dokumentation ist riesig“, klagt der Obersulmer Weingutchef Markus Gruber. Er ist überzeugt, dass dadurch noch mehr Weingärtner „hinschmeißen“. „Die Formularentwickler haben keine Ahnung von der Praxis“, ist sein Löwensteiner Kollege Harald Koppenhöfer überzeugt.
„Fakt ist, dass wir uns in einem maximal schwierigen Marktumfeld bewegen“, betont Dr. Hermann Morast, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Württemberg. In Qualität und Darstellung müsse sich der Württemberger Wein weltweit hinter keinem ausländischen Wein verstecken.
Die bisherige Arbeit der neu gegründeten Schutzgemeinschaft „g. U. Württemberg“ für neue Vermarktungsstrategien erläutert Verbandsgeschäftsführer Dr. Hermann Morast. „Wir brauchen eine Spitze in der Weinpyramide bei der Vermarktung, über die man spricht“, so Morast. Daher würden die Kriterien für den Begriff „Erstes und Großes Gewächs“ bundesweit geregelt. Er geht auf die neuen Regelungen zum „Speckgürtel“ und auf neue Großlagenbezeichnungen wie Breitenauer See ein.
Neues Führungsduo im Bezirk
Die Teilnehmer an der Bezirksversammlung des Weinbaubezirks Weinsberger Tal/Öhringer Gegend haben am 1. Februar 2024 Stefanie Vollert (27) aus Obersulm-Willsbach einstimmig per Akklamation zur neuen Bezirksvorsitzenden gewählt. Zu ihrem Stellvertreter wählten die stimmberechtigten Mitglieder des Weinbauverbands Jochen Förnzler (36) aus Pfedelbach. Nach zehn Jahren im Amt kandidierte Weingärtner und Landwirt Karl-Ulrich Vollert nicht mehr für den Bezirksvorsitz. Auch sein Stellvertreter Eberhard Häfele aus Brezfeld machte nach zehn Amtsjahren den Weg für die jüngere Generation im Bezirksvorstand frei.
Stefanie Vollert hat eine Ausbildung zur Winzerin absolviert und danach bei einem Praktikum in der Südsteiermark Auslandserfahrung gesammelt. Anschließend bildete sich die Winzerin an der Staatlichen Versuchs- und Lehranstalt in Weinsberg zur Technikerin für Weinbau und Oenologie weiter. Nach ihrem erfolgreichen Berufsabschluss war sie als Betriebshelferin beim Maschinenring Unterland tätig.
Seit 2020 bewirtschaftet die Weinbautechnikerin mit ihren Eltern den Obst- und Weinbaubetrieb der Wein- und Obstbau Greinig-Vollert GbR in Willsbach. Ihre Hobbys sind Handball beim TSV Willsbach, sie fährt gerne Ski und ist Truppführerin in der Freiwilligen Feuerwehr Obersulm. In der 1949 gegründeten Landjugend Baden-Württemberg mit ihren 3500 Mitgliedern gehörte Stefanie Vollert von 2020 bis 2023 dem Vorstand an.
Jochen Förnzler aus Pfedelbach ist Bachelor Weinmarketing und Management. Seine Ausbildung zum Winzer absolvierte Förnzler von 2011 bis 2014 bei der Genossenschaftskellerei Heilbronn-Erlenbach-Weinsberg e.G. Vor Beginn seiner Ausbildung zum Weinbautechniker an der Weinbauschule Weinsberg im Jahr 2014, sammelte der frisch gebackene Winzer von Januar bis April 2014 in einem südaustralischen Weingut praktische Auslandserfahrung. 2016 legte Jochen Förnzler erfolgreich seine Prüfung zum staatlich geprüften Techniker für Weinbau und Önologie ab.
Weitere Auslandserfahrung sammelte der Weinbautechniker ein Vierteljahr bei einem Praktikum im niederösterreichischen Weingut Johannes Trapl, ehe er 2017 als Verkaufsstellenleiter bei der Weinkellerei Hohenlohe ins Berufsleben einstieg. Berufsbegleitend absolvierte Förnzler von 2019 bis 2022 an der Heilbronner Hochschule für Technik, Wirtschaft und Informatik den Studiengang „Weinmarketing und Management“. Seit 2020 ist Jochen Förnzler Vertriebsmitarbeiter der Weinkellerei Hohenlohe.
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