Erforschung und Anreicherung bioaktiver Inhaltsstoffe in alkoholfreien Weinen und Schaumweinen
Ein Glas Sekt zur Begrüßung bei feierlichen Anlässen, ein guter Wein als Begleiter beim Abendessen, ein Dessertwein zum Nachtisch: Der Genuss von Weinen und Schaumweinen ist fest in unserer Alltagskultur verankert. Die Kehrseite der Medaille: Deutschland gehört zu den Hochkonsumländern von alkoholischen Getränken – und regelmäßiger Alkoholkonsum erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen.
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Dessen sind sich immer mehr Verbraucher bewusst, so dass sie auch ihren Konsum von alkoholischen Getränken reduzieren: "No and Low Alcohol" liegt insbesondere in der Bierbranche seit einigen Jahren im Trend. 2021 lag der Marktanteil von Alkoholfreien im deutschen Biermarkt bereits bei acht Prozent – Tendenz steigend. Was mit den alkoholfreien Bieren vor über 40 Jahren als Pionierarbeit begann, ist längst zu einem wichtigen Umsatztreiber der Bierbranche geworden, den es auch für die Weinwirtschaft zu entwickeln gilt.
Gestiegenes Gesundheitsbewusstsein
Vor dem Hintergrund eines gestiegenen Gesundheitsbewusstseins und eines veränderten Konsumverhaltens kommt der Entwicklung entalkoholisierter Weine und Schaumweine eine wachsende Bedeutung zu. Sowohl Start-ups als auch einige etablierte Weingüter leisten in diesem Segment derzeit Pionierarbeit – doch bislang mangelt es an einer breiten Verbraucherakzeptanz für die alkoholfreien Produkte.
Um diese zu erhöhen, sollen im Rahmen eines Projekts der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) die günstigen biologischen beziehungsweise gesundheitlichen Wirkungen alkoholfreier Weine und Schaumweine erforscht werden. Daran arbeiten gemeinsam drei Forschungsteams vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße, der Technischen Universität Braunschweig und der Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau.
Phenolische Verbindungen im Mittelpunkt
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, Weine mit technologisch bedingt hohen Gehalten an bioaktiven Weininhaltsstoffen herzustellen, die nach dem Alkoholentzug genussvoll konsumiert werden können und einen gesundheitlichen Mehrwert bieten. Um die gewünschten Effekte zu erzielen, bedarf es einer für physiologische Wirkungen ausreichenden Menge und Zusammensetzung der bioaktiven Inhaltsstoffe in Wein, darunter Polyphenole und Mineralstoffe. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die phenolischen Verbindungen, von denen bekannt ist, dass sie im Körper zahlreiche günstige Effekte ausüben: Hierzu zählen unter anderem anti-oxidative, anti-entzündliche oder anti-kanzerogene Wirkungen.
Doch welche Verbindungen sind es, die maßgeblich für diese Aktivitäten verantwortlich sind? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um eine Anreicherung der bioaktiven Inhaltsstoffe zu erreichen? Um diese Fragen zu beantworten, sollen zunächst aus alkoholfreien Weinen und Schaumweinen jene bioaktiven Polyphenole isoliert und identifiziert werden, die einen günstigen Einfluss auf den Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsel zeigen.
Nach gezielter technologischer Anreicherung dieser Komponenten soll im Rahmen einer humanen Interventionsstudie die Wirksamkeit eines – gemäß den Forschungsergebnissen optimierten – Testgetränks überprüft werden. Sind diese Proof-of-Concept-Daten überzeugend, ermöglicht es Weinbaubetriebe und Kellereien ihre technologischen Prozesse entsprechend anpassen, um die bioaktiven Schlüsselverbindungen im alkoholfreien Produkt gezielt anzureichern. Da nach der Gärung die zuvor enthaltenen Kohlenhydrate weitgehend abgebaut sind, können im Ergebnis alkoholfreie, kalorienreduzierte Getränke auf Weinbasis mit einem gesundheitlichen Mehrwert beworben werden.
Anpassung technologischer Prozesse
Die Ergebnisse kommen insbesondere den über 16.000 kleinen und mittleren weinerzeugenden Unternehmen in Deutschland zugute, da es keiner Investitionen in neue Technologien zu deren Umsetzung bedarf, sondern nur einer Anpassung technologischer Prozesse. Sollte eine vergleichbare Absatzsteigerung alkoholfreier Weinerzeugnisse gelingen, wie dies derzeit bei alkoholfreien Bieren der Fall ist, könnte sich ein attraktives neues Segment für die deutsche Wein- und Sektbranche entwickeln – auch im Export. Prognosen zufolge wird aktuell ein jährliches Wachstum von bis zu neun Prozent erwartet.
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