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Württemberg | Pressekonferenz Weinbauverband

„Wir leben in bewegenden Zeiten“

Am 29. Februar lud der Weinbauverband Württemberg zu seiner traditionellen Jahresauftakt-Pressekonferenz in das Verbandsgebäude nach Weinsberg ein. Richtig gute Stimmung zum Jahresauftakt wollte da aufgrund der aktuellen Lage nicht aufkommen.

von Regina Klein erschienen am 29.02.2024
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Aufgeben oder weiter bewirtschaften? Der Weinbau in Württemberg steht massiv unter Druck.
Aufgeben oder weiter bewirtschaften? Der Weinbau in Württemberg steht massiv unter Druck. © Natalie Krampfl

In Vertretung von Weinbaupräsident Hermann Hohl, der sich noch in Rekonvaleszenz befand, übernahm Präsidiumsmitglied Bernhard Idler die Begrüßung der anwesenden Presse. Geschäftsführer Hermann Morast stieg direkt mit einer Analyse der aktuellen Lage ein: „Wir leben in bewegenden Zeiten“. Der globale Weinmarkt befinde sich derzeit in einer maximalen Schieflage, wie man sie mutmaßlich bis dato noch nie kannte. Das Anbaugebiet Württemberg befinde sich in einem massiven Strukturwandel, der Maßnahmen erfordere, damit es nicht zu einem Strukturbruch komme, so Morast.

Weinbau 2030

Bis 2030 prognostiziert der Verband einen Flächenrückgang in Württemberg von rund 2000 ha, was etwa 20 % der derzeitigen Rebfläche entspricht. Vorrangig betroffen seien Steilstlagen, deren Bewirtschaftung sich nicht mehr rechne. Mit dem Verlust dieser Flächen gehe auch ein Verlust von Biodiversität einher, warnte Morast. Um den Strukturwandel geregelt zu vollziehen und unkontrollierte Brachen zu verhindern, hat der Weinbauverband Württemberg zusammen mit dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband und dem Badischen Weinbauverband das Zukunftspapier „Weinbau 2030“ entwickelt.

Dieses enthält unter anderem die Forderung nach einer geregelten Brachebegrünung nach vorheriger Rodung. Damit ließe sich die Ertragsrebfläche gezielt reduzieren, was gleichzeitig zu einer Marktentlastung führe. Das vorrangige Ziel der Maßnahme sei die Erhaltung der Kerngebiete ohne schädliche Einflüsse von aufgelassenen Rebflächen. Die Bracheflächen könnten einen Beitrag zur Biodiversität und zur Biotopvernetzung leisten, sind sich die Initiatoren sicher.

Von der Politik forderte der Verbandsgeschäftsführer mehr Planungssicherheit und Verlässlichkeit und auch die Preispolitik des Handels wurde als für die Branche schädlich kritisiert. Dass der Weinabsatz stark zurückgegangen sei, sei gemeinhin bekannt. Allerdings sei besonders deutscher Wein überproportional von der Kaufzurückhaltung betroffen. Nur noch rund 40 % Marktanteil hat die heimische Ware in Deutschland.

Nachhaltigkeit hat drei Säulen

In der Öffentlichkeit sei immer die Rede von Nachhaltigkeit, allerdings meist in Bezug auf Ökologie. Zu einem gesunden Betrieb gehörten jedoch alle drei Säulen der Nachhaltigkeit, also auch Ökonomie und Soziales. „Das Gros der Betriebe steht vor einer ökonomisch düsteren Zukunft“, mahnte Morast.

Einen Blick auf die Marktsituation warf dann Bernhard Idler. Die weltweite Weinerzeugung liege über dem derzeitigen Konsum. Auch wenn die Ernte im vergangenen Jahr in vielen Ländern unterdurchschnittlich ausgefallen sei, sei immer noch zu viel Ware im Markt. Kein Wunder also, dass ausländische Weine in den kaufkräftigen deutschen Markt drängen. LEH und Discounter sind die Hauptabsatzkanäle für Wein in Deutschland.

Die Erlössituation lässt sich im Moment nicht nachhaltig verbessern Bernhard Idler

Dabei entwickelt sich zunehmend ein Oligopol und damit eine Marktmacht des Handels, die es kleinen Branchen wie dem Weinbau in Verhandlungen schwieriger macht. Zum 31. März verschwindet mit der Real-Warenhauskette ein weiterer Händler. Viele Filialen wurden in der Vergangenheit bereits unter der Schwarzgruppe, Rewe und Globus aufgeteilt. Die verbliebenen Märkte, die bis zuletzt unter Real-Flagge liefen, werden nun endgültig geschlossen.

Zwar konnten zuletzt etwas höhere Preise durchgesetzt werden, so Idler, jedoch stiegen die Kosten in den Betrieben schneller an. Zudem seien zum Teil Preisschwellen überschritten worden, die zu einer Kaufzurückhaltung bei den Verbrauchern führten. „Die Erlössituation lässt sich im Moment nicht nachhaltig verbessern“, gab Idler zu bedenken. Die Konsumenten seien zu preissensibel und aus dem Ausland dränge günstige Ware in den Markt.

Es fehlen Fachkräfte

Ein weiteres Problem für viele, selbst wirtschaftlich gut dastehende Betriebe, ist der Fachkräftemangel. Viele Stellen könnten nicht mehr besetzt werden und auch die Ausbildungszahlen und die Meister- und Technikerfortbilungen seien rückläufig. „Das wird dazu führen, dass bestimmte Flächen künftig nicht mehr bewirtschaften werden können“, prognostizierte Idler.

Um die Einkünfte der Betrieb zu sichern, seien also auch alternative Standbeine nötig. Das könnte zum Beispiel der Einstieg in den Tourismus sein. Würden Flächen jedoch zunehmend brach fallen, sei auch die touristische Destination in Gefahr, beschrieb er die Zusammenhänge.

Neben fehlenden Arbeitskräften kommt auch der Renteneintritt der Babyboomer als Herausforderung auf die Branche zu. Das landwirtschaftliche Rentensystem ist nicht mit einer gesetzlichen Rente vergleichbar. Vielmehr baut es auf einem Generationenvertrag auf, der die Alterssicherung über den Betriebsnachfolger abdeckt. Viele Betriebe werden ihre Tore jedoch für immer schließen – rund 40 % werden es bis 2030 sein. Es seien also dringend Anpassungen im Steuer- und Rentenrecht notwendig, um die Boomer im Alter abzusichern, so Hermann Morast.

Mehr Geld für Nachhaltigkeit

Etwas Positives gab es dann doch zu berichten. Um Betriebe etwas resilienter zu machen, sei es gelungen, eine zusätzliche Förderung von Piwi-Anpflanzungen zu erreichen, wie Vizepräsident Peter Albrecht verkündete. 1000 Euro je Hektar erhalten Betriebe, die bei der Neuanpflanzung auf pilzwiderstandsfähige Rebsorten setzen. Das Programm läuft noch voraussichtlich drei Jahre und hilft Betrieben bei der Umstellung auf eine nachhaltigere Bewirtschaftung mit weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz.

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