Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Trollinger-Initiative

Trollinger neu denken

Die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg hat gemeinsam mit der Genossenschaftskellerei Heilbronn die „Trollinger Initiative“ ins Leben gerufen. Grund dafür ist eine derzeit fehlende Perspektive für die traditionell-württembergische Rebsorte.

von Lena Holzwarth, Dr. Dieter Blankenhorn erschienen am 15.03.2024
Die Trollinger-Initiative versucht der traditionellen Rebsorte wieder eine neue Perspektive geben. © Florian Fenzl
Artikel teilen:

Zum einen erfährt die Rebsorte seit Jahren einen kontinuierlichen Rückgang im Anbau (2000: 2582 ha Trollinger, 2022: 1856 ha, siehe Abbildung 1). Zum anderen sind die bestehenden Anlagen mit einem Alter von 27,8 Jahren (Stand 2020) von einer starken Überalterung geprägt. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren die Trollinger-Rebanlagen im Schnitt noch 18,3 Jahre alt.

Abbildung 1: Entwicklung der bestockten Trollinger-Rebfläche in Württemberg von 1996 bis 2022.
Abbildung 1: Entwicklung der bestockten Trollinger-Rebfläche in Württemberg von 1996 bis 2022. © LVWO Weinsberg 2022

Entweder roden die Betriebe die Trollinger-Rebflächen und entscheiden sich für eine andere Rebsorte oder – insbesondere in Terrassen- und Steillagen – erfolgt gar keine Neuanpflanzung, sodass eine traditionsgeprägte Kulturlandschaft zunehmend schwindet. Der Wechsel auf Qualitätsklone mit aufrechtem Wuchs und kleineren Trauben (S-Klone) verzögert sich oder bleibt aus. Zudem ergibt sich aus der Trollinger-Problematik sowie der bereits in der Pipeline stehenden Lemberger-Problematik die Profilierungsfrage für Württemberg: „Welche Sorten stehen künftig für das Weinanbaugebiet?“

Welche Sorten stehen künftig für Württemberg?

Trollinger-Rotweine sowie das traditionelle schwäbische Cuvée Trollinger-Lemberger sind überwiegend von restsüßen Weinen geprägt. Diese Weine sind – ebenso wie ihre Liebhaber – in die Jahre gekommen. Es gibt noch zu wenig moderne, zeitgemäße Impulse, um moderne Konsumenten auf die Sorte aufmerksam zu machen und neue Begeisterung zu entfachen.

Die neuen Weine sollen sich geschmacklich, optisch und auch preislich klar von den überwiegend auf dem Markt erhältlichen restsüßen Weinen abgrenzen. Lena Holzwarth

Aufgrund der dargestellten Situation und des einhergehenden Nachfragerückgangs nach Trollinger-Rotweinen hat sich eine Gruppe von Weinproduzenten zu einer Initiative formiert, die einen modernen Trollinger-Rotwein, der zum heutigen Zeitgeist passt, erzeugen möchte. Die neuen Weine sollen sich geschmacklich, optisch und auch preislich klar von den überwiegend auf dem Markt erhältlichen restsüßen Weinen aus Trollingertrauben abgrenzen. Daher wurde an der LVWO Weinsberg ein weinbaulicher sowie oenologischer Leitfaden entwickelt, der die Betriebe dabei unterstützen soll, einen maischevergorenen, trockenen, aber dennoch sortentypischen Trollinger-Rotwein zu erzeigen. Das heißt, leicht, mit einer animierenden Säure, angenehmer Gerbstoffstruktur und einem nachhaltigen Abgang.

Ein weiteres zentrales Element der Trollinger-Initiative war die Durchführung einer wissenschaftlich-fundierten Verbraucherstudie im letzten Quartal 2022, die vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) im Rahmen einer Projektförderung finanziell unterstützt wurde. Mithilfe der Studie konnten wichtige Erkenntnisse über die Bedürfnisse, Präferenz, Strukturen, Produkteigenschaften und Konsumanlässe moderner, weinaffiner Zielgruppen erlangt werden. Die Weinstilistik sowie die Produktaufmachung und -ausstattung eines zeitgemäßen Rotweins kann so direkt auf die Bedürfnisse und Präferenzen der modernen Weinkonsumenten angepasst werden.

Erkenntnisse aus der Verbraucherstudie  

Eine Erkenntnis aus der Studie ist, dass der Trollinger nicht nur ein leichter Rotwein ist, sondern eher zu Weißwein- als zu Rotwein-Konsumanlässen getrunken wird. Ein Teilnehmer traf hierbei eine passende Aussage: „Trollinger ist ein Rotwein, der versucht ein Weißwein zu sein.“

Trollinger ist ein Rotwein, der versucht ein Weißwein zu sein. Teilnehmer der Verbraucherstudie

Als klassische Rotweinanlässe wurden hierbei ein ruhiges besinnliches Stimmungsbild verstanden, zum Beispiel zur Entspannung, Zuhause auf dem Sofa, vor dem Kamin, zum Geschichtenerzählen oder als Begleiter von gehobenen Speisen. Als Weißweinkonsumanlässe wurden einfachere Alltagssituationen beschrieben wie beispielsweise Wein trinken – auch ohne Anlass, auf der Terrasse im Sommer oder beim Weinfest in Geselligkeit. „Man kann ihn auch mal zum Mittagessen trinken, da er durch seine Leichtigkeit eher anregend als ermüdend wirkt“, erklärt eine teilnehmende Person der Verbraucherstudie.

Abgrenzung der Weißwein- und Rotwein-Konsumanlässe.
Abgrenzung der Weißwein- und Rotwein-Konsumanlässe. © Rheingold Institut 2022

Ein unentdeckter Trend?

In der Verbraucherstudie wurden viele Potenziale des Trollingers aufgedeckt, die zu aktuellen gesellschaftlichen Trends passen und die es nur noch von Seiten der Branche zu ergreifen gilt.

Der Trend zur Einfachheit: „Weingenuss ist ein komplexer und kultivierter Vorgang, der Einübung und (Lebens-)Erfahrung voraussetzt. Man kann sich als Wein-Kenner profilieren und seinen Status unterstreichen – aber ganz schnell auch entlarvt und deklassiert werden, wenn es einen Experten mit größeren Kenntnissen gibt. Besonders hemmt die Wein-Taxonomie die einfachen Verbraucher, denen es schwerfällt, die richtigen Adjektive für ihre Vorlieben zu verwenden. Einige möchten den Wein gern von seinem elitären Sockel kippen. Weg von Überbau und Weinetikette, hin zu einfachen und alltäglichen Trink-Gelegenheiten.“ – heißt es in der Verbraucherstudie. Hierfür scheint der Trollinger prädestiniert zu sein. So wurden in der Studie Parallelen zum Bier gezogen: Der Trollinger könnte eine Art „Helles“ werden, der durch seine Leichtigkeit und Einfachheit zu vielen Lebenssituationen passt.

Auch an den Trend zum Handwerk, Authentizität und self-made lässt sich anknüpfen. Parallelen zum Bierhandwerk mit der Craft-Bier-Bewegung können an dieser Stelle gezogen werden. Vor allem braucht es junge, innovative Winzer, die das Thema aufgreifen und mit neuer Originalität entstauben, ohne dabei die Ursprünglichkeit der Sorte zu verlieren, nach dem Motto: „Tradition trifft Zeitgeist“. Welche Trends in der Studie entdeckt wurden, zeigt Abbildung 3.

Abbildung 3: Die festgestellten Trendbewegungen im Weinbau.
Abbildung 3: Die festgestellten Trendbewegungen im Weinbau. © Rheingold Institut 2022

Kaufentscheidung erleichtern

Der Wein sollte ganz simpel erklären, was er ist und woher er kommt: „Trollinger ist eine Rebsorte aus dem Anbaugebiet Württemberg“. Dafür ist zum Beispiel eine kleine Karte auf dem Rückenetikett hilfreich. Die Herkunft sollte hierbei ganz bewusst in den Fokus gerückt werden. Zudem empfiehlt sich eine kurze und prägnante Beschreibung des Geschmacks sowie eine Empfehlung zum Konsumanlass, damit der Konsument eine Vorstellung davon bekommt, zu welchen Anlässen sich dieser Wein eignet. Ein Beispiel: „Trollinger ist ein leichter, kirschfarbener Rotwein, der auch etwas kühler (12-16 °C) genossen werden kann, mit einer hohen drinkability (Trinkigkeit). Er passt nahezu zu jedem Konsumanlass, ist frisch und schmackhaft.“

Auch Speiseempfehlungen auf dem Rückenetikett wünschen sich die Konsumenten. Beim Trollinger-Rotwein birgt das aber auch Herausforderungen, denn das Aufzeigen passender Gerichte würde ihn in die Nähe schwerer, kräftiger Rotweine rücken. Von daher ist auch hier Kreativität gefragt, um seine Alltagstauglichkeit und Flexibilität darzustellen, zum Beispiel „Vielseitig – mach ihn dir passend“; „Passt zu schwäbischem Essen – und zu allem anderen“; „Passt zu Fleisch, Fisch und Veggie“.

Bei der gesamten Flaschengestaltung und Produktbeschreibung sollte eine klare Abgrenzung zu schweren, kräftigen Rotweinen erkennbar sein. Denn wer mit den Erwartungen an einen schweren Rotwein an Trollinger rangeht, wird mit großer Sicherheit enttäuscht werden. Seine Unterscheidung von den gängigen Rotwein-Klischees (leichter und „trinkiger“) wird von seinen Fans geliebt, aber bisher verschämt behandelt. Warum diese Besonderheit und Andersartigkeit nicht selbstbewusst inszenieren und (endlich) dazu stehen? Eine dezent humorige Tonalität wäre angebracht, um seine Beweglichkeit zu unterstreichen.

Es sollte eine klare Abgrenzung zu schweren, kräftigen Rotweinen erkennbar sein. Lena Holzwarth

Hinsichtlich der Flaschengestaltung sollte das Design nicht zu schwer und dunkel sein. Schwere Flaschen und dunkle Etiketten mit goldener oder silberner Schrift suggerieren einen schweren Rotwein. Beim Trollinger sollte seine Leichtigkeit und Alltags-Beschwingtheit im Vordergrund stehen, aber dennoch eine hohe optische Wertigkeit aufweisen, zeitgemäß auftreten und aktuelle Trends wie Einfachheit und Authentizität spiegeln. Zudem sollte er im Weinregal auffallen, wiedererkennbar sein, seine Herkunft zeigen. Zum Beispiel, indem seine Originalität in Wort und Bild dargestellt wird. Denn er ist ein schwäbisches Original und nutzbar bei allen Gelegenheiten für Alltags-Beschwingtheit. Das ist die Story, die erzählt werden sollte.

Wie geht es weiter mit der Initiative?

Im nächsten Schritt der Trollinger-Initiative wird ein Marketingkonzept erarbeitet, das auf den Erkenntnissen der Verbraucherstudie fußt. Im Rahmen des Konzeptes soll eine Wort-Bild-Marke geschaffen werden, die für den modernen Trollinger aus der geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.) Württemberg steht. Trollinger-Rotweine, die nach den Leitlinien der Initiative erzeugt wurden und neben der Qualitätsweinprüfung eine von der Initiative ins Leben gerufene sensorische Prüfung der definierten Weinstilistik bestehen, sollen die Wort-Bild-Marke nutzen dürfen. Diese soll zudem markenrechtlich geschützt werden. Damit sich das Projekt finanziell trägt, wird eine Lizenzgebühr je vermarktete Flasche anfallen. Alle Weinbaubetriebe aus Württemberg sind herzlich dazu eingeladen, sich der Initiative anzuschließen.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren