
Querterrassierung abgeschlossen
Die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Obst- und Weinbau (LVWO) Weinsberg hat die vier Bauabschnitten der Querterrassierung des Weinsberger Burgbergs unterhalb der Weibertreu abgeschlossen. Neben einer einfacheren Bearbeitung der Weinberge wurde das Burgberghäuschen saniert und zahlreiche Stauden sowie Bäume angepflanzt.
von Gustav Döttling, Nicole Dickemann erschienen am 18.06.2024Seit dem Jahr 2010 haben die LVWO Weinsberg und die Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn gemeinsam die Weinberge am Burgberg unterhalb der Burg Weibertreu saniert. Entstehen sollte eine zukunftsfähige Symbiose aus Weinbau, Kulturlandschaft und Denkmalschutz. „Unser Ziel war es, die Weinberge maschinell bewirtschaften zu können und die Steillagen zu erhalten, die ein wichtiger Teil der Kulturlandschaft in der Region sind“, erläutert LVWO-Direktor Dr. Dieter Blankenhorn. Für das Gesamtprojekt wurde ein Konzept „lebendiger Weinberg“ weiterentwickelt, um die ökologischen Bedürfnisse zur Stärkung der Biodiversität und des Artenschutzes zu fördern.
Als Architekt plante Christoph Haug vom Büro Koeber Landschaftsarchitektur GmbH das Projekt. Begleitend dazu erfolgte eine fachkundige Planung eines lebendigen Weinbergs zur Unterstützung der heimischen Flora und Fauna durch die Stiftung Naturelife-International. Als Bauunternehmer war Benjamin Schäf, Ben‘s Gartenart – Garten und Landschaftsbau bei den Erd- und Mauerarbeiten aktiv.
Projektablauf
Im ersten Bauabschnitt von 2011 bis 2016 wurden unterhalb der Burg 80 Ar Rebfläche in Querterrassen umgewandelt. Der zweite Bauabschnitt von 2016 bis 2019 umfasste oberhalb des Rosenwegs 1,6 ha Rebfläche. „Eine große Herausforderung war es, die bestehenden Natursandsteinmauern in den Umbau zu integrieren und die Auflagen des Natur- und Denkmalschutzes zu integrieren“, erläutert Blankenhorn. Teilweise sind in mühsamer Handarbeit bestehende Trockenmauern verlängert oder neue Mauern angelegt worden. Diese beiden Bauabschnitte hat die LVWO mit Sauvignon Blanc und Muskateller neu bestockt. Im Zuge des dritten Bauabschnitts (1,3 ha) wurden ab 2019 die kurzen steilen Stichreihen auf dem unteren Teil des Burgbergs oberhalb der historischen Sandsteinmauer an der Heilbronner Straße querterrassiert.
Seit 2023 läuft im steilsten Teil des Projekts auf 1,3 ha der finale, vierte Bauabschnitt der Burgberg-Querterrassierung. „Die größten Herausforderungen waren die massiven Mauern, die Wasserstaffel sowie der Einbau einer Durchfahrt mit Wendeplatte“, erläutert Johannes Wolf, Referatsleiter Weinbau und Rebschutz an der LVWO. „Jetzt kann der Berg über die ganze Länge befahren und bewirtschaftet werden“, so Wolf. Im Rahmen dieses Bauabschnitts haben Mitarbeiter der LVWO gemeinsam mit 17 Schülern einer Technikerklasse im Mai 2023 unterhalb der Weibertreu 3200 Staudensetzlinge und 25 weinbergtypische Bäume gepflanzt.
Querterrassierung
„Mit dem neuen Abschnitt der seit 2010 laufenden Neugestaltung des Burgbergs setzen wir den mittlerweile erprobten Weg der Querterrassierung unter Berücksichtigung historischer, landschaftskultureller und ökologischer Erfordernisse konsequent fort“, so der LVWO-Direktor. Er ergänzt: „Und wir gehen noch einen Schritt weiter und nützen die Chancen der Umgestaltung mit der Pflanzung typischer Weinberggehölze zur Verbesserung der Biodiversität im Weinberg“. Gleichzeitig schafft die LVWO eine Modellfläche, die als Ideenpool für andere Weinbaubetriebe, als Anschauungs-, Lern- und Umweltbildungsareal für die Auszubildenden und Studierenden der LVWO, für die Weinerlebnisführer und auch für die Spaziergänger und Wanderer dienen werde. „Hier kann man Ideen für den eigenen Garten mitnehmen“, so Blankenhorn.
1Der Burgberg mit der Weibertreu bekomme so eine weitere Attraktion, die weit in die Gesellschaft und ins Land hineinwirken kann. Sofern eine Finanzierung gefunden werden kann, soll ein digital gestützter Natur-, Kultur- und Weinerlebnispfades geschaffen werden. Claus-Peter Hutter, Präsident der Umweltstiftung Naturelife-International und Initiator der seit rund 15 Jahren laufenden Aktion „Lebendiger Weinberg“, würdigte das Engagement der LVWO und deren Partner als wegweisend für ein neues Verständnis von Natur und Kultur, von Ökonomie und Ökologie. „Eine solch großflächige Pflanzung früher typischer, heute oft verschwundener Weinbergbegleitpflanzen gibt es nach meiner Kenntnis in dieser Form in keiner Weinbauregion“, betonte er.
Umgestaltung
Die umsichtige Umgestaltung des Burgbergs ist ein gelungenes Reallabor für den Umgang mit ähnlichen Lagen in anderen Gebieten sowie ein genialer außerschulischer Lernort. „Die Pflanzungen enthalten heimische Gehölze wie Quitte, Süßmandel, Mispel, Feige und Aprikose, Blühpflanzen wie Färber-Kamille, Lavendel, Weinraute, Majoran, Schwertlilie, Herbst-Fettkraut, Thymian und Garten-Salbei“, berichtet Wolf. Auf rund 1714 Meter beziffert Wolf die Terrassen- und Zeilenlänge. Entstanden seien circa 80 Meter neue Trockenmauern.
„Als Weinlehrpfad legen wir eine Reihe mit Rebsorten, die in Weinbauregionen weltweit angebaut werden, an“, erläutert Wolf. Der Lehrpfad solle für den Weintourismus in Weinsberg mitgenutzt werden. Rund 1,5 Millionen Euro kostet das Gesamtprojekt, auf den vierten Bauabschnitt entfallen rund 600.000 Euro. Auf 20.000 Euro beziffert Wolf die Kosten für die aktuelle Pflanzaktion. Der Burgbergweg habe jetzt eine große Attraktion mehr und sei immer einen Besuch wert.

„Wir haben das Burgberhäuschen vor vier Jahren wach geküsst“, schwärmt Blankenhorn vom sanierten Burgberghäuschen. Das wurde innen für eine Außenbewirtung mit Theke, einer PV-Anlage auf dem Dach sowie einer Hygienestation ausgestattet. Es werde für die Ausbildung der Weinerlebnisführer, für betriebliche Veranstaltungen, für Projekte bei der Weintechnikerausbildung und von Studierenden des Studiengangs Wein-Technologie-Management (WTM) genutzt. „Der Burgberg wird in den Unterricht an der LVWO integriert“, ergänzt Wolf.
Anfang Mai haben LVWO-Außenbetriebsleiter Peter Steinbrenner, seine Mitarbeiter und fünf Studentinnen des Studiengangs WTM mit der Pflanzung von über 800 Rosenstöcken das i-Tüpfelchen auf die Querterrassierung gesetzt. Studentin Hannah Wirth hat die Pflanzung als Studienprojekt geplant und organisiert. 25 verschiedene Rosensorten verschönern jetzt den Weibertreu-Burgberg. Das Studententeam sind dual Studierende der LVWO in der Praxisphase. Sie haben 691 Beet-Rosen, 45 Strauchrosen und 67 Edelrosen sortiert, beschriftet und gemeinsam mit LVWO-Mitarbeitern gepflanzt. „Die blühenden Rosen sollen als Zierde des Burgbergs die Einfahrt nach Weinsberg verschönern und aufwerten“, betont Steinbrenner.
Nicht geplant war die Sanierung der Weinbergmauer an der Heilbronner Straße. Die Mauer war kurz vor Weihnachten 2023 nach starken Regenfällen eingestürzt. Nun wurde sie am Fuße des Burgbergs gerichtet. Im Auftrag von Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn hat eine Fachfirma für Garten- und Landschaftsbau die Sandsteinmauer auf ihrer ganzen Länge von 60 Metern instandgesetzt. Eingestürzt waren nur etwa 20 Meter der Mauer. Die neue Mauer wurde im Gegensatz zur alten Mauer aus ökologischen Gründen als Trockenmauer aufgesetzt. Die Kosten werden auf rund 60.000 Euro geschätzt. Weil die Mauer dem Land und nicht der Stadt gehört, ist die LVWO fachlich zuständig.
Weinbauliche Aspekte der Querterrassierung
Die Gründe für die Stilllegung von Rebflächen sind vielfältig. Vor allem steile Rebflächen ab 45 % Steigung sind nur bedingt oder überhaupt nicht maschinell bewirtschaftbar. Nicht selten tritt dies in Kombination mit Hindernissen, wie Böschungen oder Weinbergsmauern, auf. Die Umstellung der Flächen unterhalb der Burg Weibertreu auf befahrbare Querterrassen bietet nun dort die Möglichkeit der mechanischen Bewirtschaftung.
Die Arbeit im Steilhang bedeutet grundsätzlich einen hohen Einsatz von Mensch und Maschine. Der durchschnittliche Arbeitszeitbedarf in Handarbeitslagen beträgt zwischen 800 – 1200 Akh/ha. Durch die Möglichkeit der Bewirtschaftung im Direktzug in Verbindung mit einer Verlängerung der Zeilenlängen auf bis zu 370 m konnte hier die Arbeitszeit inklusive Handlese auf 400 AKh/ha gesenkt und zusätzlich die starke physische Belastung der körperlichen Arbeit im Steilhang verbessert werden.
Ein wichtiger Aspekt bei der Umgestaltung am Burgberg ist die historische Bedeutung des Wahrzeichens Weinsbergs, wodurch der Erhalt dieser traditionellen Weinlagen erreicht werden konnte. Steile Flächen mit eingeschränkter Mechanisierung und mit höherem Risiko bei der Befahrbarkeit in schwierigen Wettersituationen, geraten zunehmend unter Druck. Die Querterrassierung ist im Grenzsteigungsbereich dort gerechtfertigt, wo eine vollmechanische Bewirtschaftung mit niedrigen Arbeitsstunden das Ziel ist.
Entblätterung
Nach der Umstellung auf Querterrassierung wurden, die zwei im Aroma anspruchsvollen Rebsorten, Sauvignon Blanc und Muskateller gepflanzt. Bei zu intensiver Entblätterung, vor allem in den Süd- und Südwestlichen Bereichen des Burgbergs, besteht ein erhöhtes Risiko für hohe Beerentemperaturen und somit unerwünschtem Säureabbau und Aromaveränderungen. Vor allem beim Sauvignon Blanc ist die Gruppe der Methoxypyrazine für die Aromastruktur des gewünschten Produktionszieles ein wichtiges Steuerelement, welches durch Entblätterung oder Beschattung, beeinflusst werden kann. Zum Erhalten der feinen Aromen beim Sauvignon Blanc und Muskateller wird am Burgberg in der Querterrassierung nur auf der nach innen gerichteten Seite entblättert.
Bewässerung
Durch den zur Böschung geneigten Wegebau wird das anfallende Wasser nicht über die, für Erosion empfindlichen Böschungen, abgeleitet. Dies verstärkt den Effekt, dass die Hangkante einer stärkeren Austrocknung ausgesetzt ist. Vor allem in den ersten vier Jungfeldjahren ist eine Bewässerung im Bedarfsfall notwendig. Die auf der Böschungskante gepflanzten Reben, benötigen einige Jahre, bis sich die Wurzeln ausreichend nach hinten in Richtung Böschung entwickelt haben, wo aufgrund der größeren Bodenmächtigkeit mehr Wasser verfügbar ist.
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