
Motiviert durch die Herausforderungen unserer Zeit
Die 66. Veitshöchheimer Weinbautage boten ein sehr vielfältiges Programm. Von Tipps für erfolgreiches Marketing in schwierigen Zeiten über Alkoholpolitik in Deutschland bis hin zu verschiedenen Silvanerstilistiken und alkoholfreien Weinen reichte die bunte Palette. Begleitet wurde die zweitägige Veranstaltung von einer Fachausstellung mit Maschinenvorführung.
von Dr. Gabriele Brendel erschienen am 19.03.2024
Der erste Tag stand unter dem Motto: „Motiviert durch die Herausforderungen unserer Zeit“. Passend zum Thema ging Frankens Weinbaupräsident Artur Steinmann in seinem Statement auf die aktuelle Situation ein und machte den Winzerinnen und Winzern Mut. „Wir können doch Krise. Das haben wir in der Vergangenheit gezeigt. Es wird sicher keine einfachen Lösungen geben und Sie müssen für sich und Ihr Unternehmen die richtigen Entscheidungen treffen. Aber wir unterstützen Sie dabei“, sagte Steinmann. „Wir müssen alles überdenken und die Segel neu setzen. Dann gibt es auch wieder Speed.“
Kundenbindung wichtig
Der Frage „Sparen oder Investieren?“ ging Prof. Dr. Laura Ehm vom Weincampus Neustadt nach. Für sie ist es wichtig, dass in Krisenzeiten die Kundenbindung intensiviert wird. Häufig werde bei Umsatzeinbrüchen das Budget für Marketing gekürzt. Das sei nach ihren Worten ganz schleicht. Es müsse stattdessen investiert werden. Allerdings sollten die Ressourcen auch richtig eingesetzt werden.
Alle Gelegenheiten für den persönlichen Kundenkontakt sollten genutzt werden. Durch Events, Weinfeste oder Weinverkostungen können sogenannte Touchpoints geschaffen werden. Diese sind sehr wichtig in der Nachkaufphase. Tools wie Newsletter, Kundenbriefe und Weinclubs sollten eingesetzt werden, um die Stammkundschaft gezielt zu Folgekäufen anzuregen und an den Betrieb zu binden. Zur verstärkten Kommunikation sollte auch Social Media genutzt werden.
Nach den Worten von Laura Ehm brauchen Menschen gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten auch schöne Dinge. Sie suchen Ablenkung und Spaß. Die Kommunikation sollte aufzeigen, dass Wein und Weinerlebnisse nicht nur ein „Nice to have“, sondern ein „Must have“ sein können.
Alles auf dem Prüfstand
„Für Deutschland und für Franken ist die Direktvermarktung von besonderer Bedeutung, weil diese hoch interessierten und engagierten Weinkunden mit am wenigsten Umsatz verloren haben“, erklärte Prof. Dr. Simone Loose von der Hochschule Geisenheim.

In Deutschland ging der Umsatz um -1 % (Absatz: -6 %), in Franken um -5 % (Absatz: -9 %) zurück. Nach ihren Aussagen ist im aktuellen Verdrängungswettbewerb der Kundenstamm die wichtigste Ressource eines Weingutes. Diesen gelte es genauso zu hegen und zu pflegen wie den Weinberg.
Um Kosten zu sparen, empfahl Dr. Matthias Mend von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) sich Gedanken über eine segmentgerechte weinbauliche Produktion machen. Je nachdem, welche Qualität in einem Weinberg erzeugt werden soll, können bestimmte Arbeitsschritte gegebenenfalls mechanisiert werden. Mend appellierte dabei außerdem an die Winzerinnen und Winzer, mehr Kooperationen im Bereich der Maschinen einzugehen. Über solche Maschinengemeinschaften können ebenfalls Kosten gespart werden.
Verhaltenspräventive Maßnahmen
„Der Konsum alkoholhaltiger Getränke steht schon lange unter politischer Beobachtung“, berichtete der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes Dr. Lothar Ebbertz. Man unterscheidet verhältnispräventive von verhaltenspräventiven alkoholpolitischen Ansätzen. Die Interessenvertretungen der Brau- und Weinwirtschaft setzen auf verhaltenspräventive Maßnahmen, die sich auf die Risiken übermäßigen, missbräuchlichen Alkoholkonsums konzentrieren. Diese Risiken gilt es im Zuge konsequenter Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen herauszuarbeiten und zu adressieren.
Ebbertz sagte: „Die EU-Kommission stellt den Alkoholkonsum aus dem Blickwinkel der Krebsprävention unter besondere Beobachtung. Die Losung lautet: „No save level!“ – es gibt keinen risikolosen Konsum. Stand lange der Jugendschutz im Fokus, so rückt nun die Krebsbekämpfung ins Zentrum der Debatte.“ Beide Ansätze sind hochemotional. Wichtig ist, dass Brauer und Winzer als Hersteller alkoholhaltiger Getränke deutlich machen, dass auch sie sich gegen den Missbrauch ihrer Erzeugnisse wenden und durch entsprechende Kampagnen aktiv engagieren.
Entalkoholisierter Wein
Aktuell zählen entalkoholisierter Wein und schäumende Getränke aus entalkoholisiertem Wein noch als Nischenprodukte. Das kann sich in Zukunft durchaus ändern. Zur Entalkoholisierung hat sich nach den Worten von Dr. Matthias Schmitt von der Hochschule Geisenheim die Vakuumrektifikation als Standardverfahren etabliert.
Als Idealparameter für einen Wein zur Entalkoholisierung nannte Schmitt einen moderaten Alkoholgehalt, keine sensorischen Fehler, nach Möglichkeit keinen Restzucker, ein komplexes, aussagekräftiges Weinaroma und einen Säuregehalt 1 bis 2 g/l unter dem üblichen Wert.
Bei der Preisgestaltung sollten die hohen Mengenverluste durch die Entalkoholisierung von 15 bis 20 % und die Kosten für den Dienstleister mit einkalkuliert werden. Die spezifischen rechtlichen Anforderungen sollten vorab sorgsam geprüft werden.
Ein eigenes Bild von alkoholfreien Weinen aus dem In- und Ausland konnten sich die Teilnehmenden in der sich anschließenden Lehrweinprobe machen, die von Johannes Burkert und Felix Baumann (beide LWG) sowie Ralf Schwarz (Bezirk Unterfranken) moderiert wurde. Ergänzt wurde die Fachprobe durch einige Silvaner (mit Alkohol), die ganz unterschiedliche Stilistiken aufwiesen, und zusammen mit Grünem Veltliner aus dem Weinviertel (Österreich) in der Blindverkostung standen.
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