Das Projekt „SelWineQ“: Genomforschung für ausgezeichnete Weine
Die Rebenzüchtung hat ein großes Ziel: pilzwiderstandsfähige Reben (Piwis) zu züchten, die idealerweise auch ohne den Einsatz von Fungiziden gute Erträge liefern. Dadurch wird der Weinbau deutlich umweltfreundlicher. Für den Erfolg der neuen Rebsorten ist aber entscheidend, dass die aus den Trauben gewonnenen Weine auch sehr gut schmecken. Doch die gezielte Selektion auf eine hohe Widerstandskraft gegen Pilzkrankheiten kann schnell auf Kosten der Weinqualität gehen. Dieses Problem will das Projekt „SelWineQ“ lösen.
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Das Forschungsprojekt schlägt erstmals eine Brücke zwischen der erhöhten Widerstandskraft gegen Pilzkrankheiten und der Erhaltung der Weinqualität. Dazu durchforsten die beteiligten Wissenschaftler das Erbgut (Genom) der Weinrebe (Vitis vinifera) und die aus den Trauben hergestellten Weine, um herauszufinden, welche Gene sich positiv oder negativ auf die Weinqualität auswirken. Züchter können dann mit Hilfe daraus abgeleiteter Qualitätsmarker neue Piwi-Sorten erheblich schneller und zielgerichteter entwickeln.
Das Projekt SelWineQ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ gefördert. Das Projekt startete Ende 2016 und befindet sich nun in der dritten Projektphase, die Anfang 2026 abgeschlossen wird.
Die Projektpartner und die Ziele
Wissenschaftliche Partner:
- Julius Kühn-Institut (JKI) – Institut für Rebenzüchtung: Prof. Dr. Reinhard Töpfer, Dr. Florian Schwander, Dr. Franco Röckel
- Technische Universität Dresden – Institut für Botanik: Prof. Dr. Stefan Wanke, Dr. Lena Frenzke, Dr. Julia Naumann
- Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) – Rheinpfalz – Institut für Weinbau und Oenologie: Prof. Dr. Ulrich Fischer (Projektkoordinator), Dr. Jochen Vestner, Dr. Jörg GottmannIndustriepartner:
- Institut Heidger KG: Volker Heidger, Susanne Klein
- metaSysX GmbH: Dr. Thomas Frischmuth, Dr. Michael Meret (Phase I)
Damit Piwis einen höheren Marktanteil erreichen, müssen diese Weine bei den Verbrauchern gut ankommen. Doch hier hat die Züchtung noch ein Problem: Geeignete Selektionsmarker für wichtige Pilz-Resistenzen gibt es reichlich, doch fehlen sie bislang für die Weinqualität. Mit genetischen Analysen können die Züchter daher nicht frühzeitig feststellen, ob eine neue Kreuzung auch qualitativ den hohen Anforderungen der Konsumenten genügt. Erst nach ca. drei Jahren - nachdem die ersten Trauben geerntet und der Wein produziert und verkostet wurde - löst sich das Rätsel. Durch markergestützte Selektion soll dies jetzt bereits bei ganz jungen Rebpflanzen möglich werden. Dies spart erheblich Zeit und Kosten.
Das Vorgehen im Projekt
- Aufbau einer Untersuchungspopulation
Zu Beginn des Projektes wurden eine resistente Rebsorte (Calardis Musqué) und eine teilweise resistente Rebsorte (Villard Blanc) miteinander gekreuzt. 150 Nachkommen dieser Kreuzung kultivieren die Wissenschaftler seit 2017 am JKI in Siebeldingen (Geilweilerhof) und auf Flächen des DLR Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße. Aus den Trauben dieser Kreuzungsnachkommen wurden jeweils vier Liter Weißwein am JKI ausgebaut – aufgrund der geringen Mengen spricht man von Mikrovinifikation.
Bereits fünf Jahrgänge der neuen Weine wurden vom Industriepartner im Labor genauestens analysiert. Dabei wird beispielsweise der Säuregehalt und Zuckergehalt der Weine erfasst sowie alle für den Stoffwechsel relevanten Verbindungen – das Metabolom. Darüber hinaus untersucht das DLR Rheinpfalz gezielt die Aromastoffe der neuen Weine.
- Ranking der Weinqualität
Nach der Weinherstellung folgen sensorische Analysen am DLR Rheinpfalz. Über ein Dutzend geschulte Verkoster beurteilten jeweils Geruch, Geschmack und Farbe sowie weitere Merkmale nach dem internationalen Bewertungssystem der Internationalen Organisation für Rebe und Wein – OIV). Die Beschreibung des sogenannten sensorischen Phänotyps in Kombination mit der qualitativen Bewertung der Eigenschaften ergibt eine Gesamtqualitätsnote der einzelnen Weine.Dabei werden ebenfalls die unterschiedlichen Jahrgänge probiert und verglichen. „Man kann es nicht bei einem Jahrgang belassen, weil jeder Jahrgang anders ist. Der aktuelle Jahrgang 2022 ist einer der extremsten, die ich je erlebt habe. Auf die Hitze und Trockenheit im Sommer folgte ab Anfang September die Kälte und viel Niederschlag. Man braucht fünf oder sechs Jahrgänge, um diese große klimatische Variabilität mit in das Kalkül hineinzunehmen“, erklärt Projektkoordinator Professor Ulrich Fischer vom DLR Rheinpfalz.
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Vergleich der besten und schlechtesten Weine
Von allen untersuchten Weinen der Kreuzungsnachkommen wurden jeweils die 30 besten und am schlechtesten bewerteten Weine ausgewählt und deren Eigenschaften verglichen. Das Team konnte so spezifische Eigenschaften und Aromaverbindungen für „guten“ und „schlechten“ Wein identifizieren. „Das war gut für uns, denn dann konnten wir im Genom schauen, welche Gene mit den jeweiligen Eigenschaften korrelieren“, sagt Fischer. Konkret werden dafür die Stoffwechselinformationen mit genetischen Daten verknüpft, um genomische Regionen zu bestimmen, die mit Weinqualitätsmerkmalen in Verbindung stehen. Ein Ergebnis: „Gene, die mit der Steuerung der Véraison – das ist der französische Begriff für den Reifebeginn der Beeren – zusammenhängen, spielen eine wichtige Rolle für die Weinqualität“, beschreibt Fischer.
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Qualitätsmarker für die Züchtung
Das Team der TU Dresden sequenziert nun alle 150 Nachkommen partiell. Dafür wurde in der ersten Projektphase eine Sequenziermethode (Genotyping by Sequencing) angepasst, um sie auch beim Wein erfolgreich anwenden zu können.
Das Genom von Weinreben besteht zu einem Großteil (ca. 70 Prozent) aus sich wiederholenden (repetitiven) Sequenzen. Daher ist nur ein kleiner Teil für die Suche nach Qualitätsmarkern wirklich von Relevanz – was die Aufgabe sehr anspruchsvoll macht.
Die Projektpartner vom Institut für Rebenzüchtung (JKI Siebeldingen) sind nun dabei, in den DNA-Sequenzen diejenigen Genomabschnitte (sogenannte Quantitative Trait Loci, kurz: QTL) zu finden, die mit den Qualitätseigenschaften der Weine korrelieren. Im letzten Schritt werden dann molekulare Marker in der Nähe der QTLs identifiziert. Damit stehen am Ende qualitätsbezogene genetische und metabolische Marker sowohl für gute als auch schlechte Weinqualität zur Verfügung, die von Züchtern für die markergestützte Selektion (MAS) verwendet werden können.
Im Projekt wurde bereits eine genetische Karte der untersuchten Population erstellt, die über 20.000 Marker auf allen 19 Chromosomen der Weinrebe aufführt.
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Präzisere Vorhersagemodelle durch Datenverknüpfung
Um mit den Genomdaten zuverlässigere Vorhersagen für die Weinqualität treffen zu können, sind mathematische Modelle hilfreich. Solche Algorithmen können genutzt werden, um alle im Projekt erhobenen genomischen, chemischen und sensorischen Daten miteinander zu verknüpfen. Bereits jetzt haben die ersten Vorhersagen überzeugt. Durch die Einbeziehung weiterer Jahrgänge kann die Vorhersagekraft der Modelle weiter verbessert werden.
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