
Hohe Traubenzahlen in vielen Anlagen
In dieser Ausgabe des Rebschutzhinweises lesen Sie über die allgemeine Situation im Weinberg, bekommen Informationen zum Pflanzenschutz und was es in hagelgeschädigten Anlagen zu beachten gibt, erhalten Tipps für vorbeugende Maßnahmen gegen die Kirschessigfliege und mehr.
von Redaktion Quelle Landratsamt Heilbronn erschienen am 24.07.2025Allgemeine Situation
Die aktuelle Wetterlage im Beratungsgebiet ist weiterhin von unbeständigem und vergleichsweise kühlem Sommerwetter geprägt. Pünktlich zum Beginn der sogenannten „Hundstage“ legt der Hochsommer eine Pause ein. Laut aktueller Prognose ist bis Anfang August mit moderaten Temperaturen um die 25 °C zu rechnen, ein für die Jahreszeit ungewöhnlicher, aber für die Reben insgesamt günstiger Verlauf.
In den vergangenen Tagen kam es immer wieder zu teils kräftigen Niederschlägen, häufig in Form von Starkregen. Die Regenmengen schwanken lokal stark zwischen 25 und 75 Liter pro Quadratmeter. Auch wenn die Niederschläge die akute Wasserknappheit in vielen Lagen vorerst entspannt hat, bleibt die flächendeckende Bodenfeuchte weiterhin uneinheitlich. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich das Wasserdefizit in den kommenden Wochen, durch fehlende Niederschläge, erneut bemerkbar machen könnte. Dennoch zeigen sich Rebanlagen durch die gefallenen Niederschläge deutlich erfrischt und mit entsprechenden Zuwächsen, insbesondere bei der Beerengröße. Bedauerlicherweise kam es am vergangenen Mittwoch, sowie auch am Montagabend zu lokalen Hagelereignissen.
Die Reb- beziehungsweise Reifeentwicklung schreitet durch die verbesserte Wasser- und Nährstoffversorgung kontinuierlich voran, wenngleich die aktuell kühleren Temperaturen die Entwicklung etwas verlangsamen. Um einen übermäßigen Stickstoffschub zu vermeiden, wird grundsätzlich von weiteren Bodenbearbeitungsmaßnahmen abgeraten. Vorgeschriebene Einsaaten in Problem- und Sanierungsflächen sollten, sofern keine ausreichende Naturbegrünung vorhanden ist, nur mit sehr flacher Bodenbearbeitung erfolgen.
In zahlreichen Anlagen sind sehr hohe Traubenzahlen zu beobachten. Bei weiterhin guter Wasserversorgung ist dort mit einem Überertrag zu rechnen. Ertragsregulierende und qualitätsfördernde Maßnahmen sollten daher zeitnah abgeschlossen werden, bevor die Beeren weich werden. Dies gilt besonders für Sorten mit erhöhter Anfälligkeit gegenüber der Kirschessigfliege.
Pflanzenschutz
Zum Ende der Pflanzenschutzsaison präsentieren sich die meisten Rebanlagen in einem hervorragenden Gesundheitszustand. Unter Berücksichtigung des Neuzuwachses und des geplanten Abschlusstermins kann der Spritzabstand daher im Bereich von zwölf bis 14 Tagen liegen. Bei aktuell anstehenden Behandlungen ist grundsätzlich der Einsatz der höchst zugelassenen Aufwandmenge möglich, bei Produkten mit LWF-Zulassung ist die Mittelmenge entsprechend anzupassen.
Unter dem Aspekt der Pflanzenschutzreduktion kann in unkritischen Beständen ohne nennenswerten Peronospora- und Oidiumbefall in der letzten organischen Maßnahme und auch in der (Kupfer-) Abschlussbehandlung nur die obere Laubwand behandelt werden. Mit dieser Maßnahme kann der Mittelaufwand um die Hälfte reduziert werden.
Die Vorgaben der Absatzorganisationen hinsichtlich der Mittelwahl bei den verbleibenden Behandlungen sind verpflichtend einzuhalten. Die vom WBI Freiburg zusammengestellte, aktuelle Übersicht der Wartezeiten von Pflanzenschutzmitteln kann unter folgendem Link abgerufen werden.
Noch notwendige Herbizidmaßnahmen sollten rechtzeitig vor der Abschlussbehandlung durchgeführt werden, die entsprechenden Wartezeiten sind zu beachten.
Aufgrund der wechselhaften Witterungsbedingungen kann in Stiellähme empfindlichen Sorten und Lagen der vorbeugende Einsatz eines magnesiumhaltigen Blattdüngers wie zum Beispiel Bittersalz (bis dreiprozentigig) oder Präparate auf Basis von Magnesiumoxid (zum Beispiel Lebosol Magnesium 400 SC, Folicin Magnesium) sinnvoll sein. Hierbei unbedingt die Anwendungsempfehlung (Gebrauchsanleitung) in Kombination mit Pflanzenschutzmitteln beachten.
Sonderbehandlungen mit Botrytiziden oder Carbonaten bei durch Hagel beschädigten Beeren zeigen nachweislich keine zusätzliche Wirkung, um den Befall durch Fäulnis einzudämmen. Ob die verletzten Beeren eintrocknen oder sich zu Fäulnisnestern entwickeln, hängt in erster Linie von der Witterung in den folgenden Tagen und Wochen ab. Unabhängig davon sollten die regulären Pflanzenschutzmaßnahmen konsequent fortgesetzt werden, um die Reben möglichst gesund bis Saisonende zu erhalten.
Oidium
Die Infektionsanfälligkeit der Beeren nimmt weiter ab. Dennoch ist vor allem in Anlagen, in denen bereits erste Befallsstellen aufgetreten sind, weiterhin eine sorgfältige Kontrolle erforderlich, um eine unbemerkte Ausbreitung zu vermeiden.
In bekannten Befallsanlagen sollten resistenzgefährdete Produkte nicht mehr eingesetzt werden. Stattdessen empfiehlt sich der Einsatz von Bicarbonatprodukten wie Vitisan + Netzmittel beziehungsweise Kumar. Die Bicarbonatstrategie kann auch in befallsfreien Anlagen im Sinne der Pflanzenschutzreduktion Anwendung finden. Wichtig: Bicarbonate dürfen nicht auf feuchte Laubwände ausgebracht werden!
In unkritischen Anlagen kann alternativ auch ein reines Azolpräparat (Wirkstoffgruppe „G“) wie Topas oder Sarumo (nur bis Ende Traubenschluss BBCH 79) eingesetzt werden. Sofern noch zwei organische Behandlungen anstehen, kann in der nächsten Behandlung in sauberen Beständen auch ein Produkt wie Vivando oder Kusabi zum Einsatz kommen. Es ist maximal ein Einsatz der Wirkstoffgruppe „K“ zu empfehlen.
Beachten Sie bei Ihrer Mittelplanung, dass azolhaltige Produkte (Resistenzbuchstabe „G“) insgesamt maximal viermal pro Saison ausgebracht werden sollen!
Peronospora
Da sich viele Bestände absolut befallsfrei zeigen, ist trotz der häufigeren Niederschlagsereignisse weiterhin mit einer geringen Befallsdynamik zu rechnen. Wie oben beschrieben, ist bei aktuell anstehenden Behandlungen grundsätzlich der Einsatz der höchst zugelassenen Aufwandmenge möglich. Aufgrund der Befallsfreiheit in vielen Anlagen ist jedoch eine Reduktion der Mittelmenge in diesem Jahr ohne größeres Risiko umsetzbar.
In der aktuellen Situation kann daher im Sinne der Pflanzenschutzreduktion nach guter fachlicher Praxis und unter Berücksichtigung der Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes in den letzten Behandlungen mit der dreifachen Basisaufwandmenge der notwendige Schutz mit einem vorbeugenden Kontaktmittel wie zum Beispiel Folpan 80 WDG oder Folpan 500 SC erreicht werden. Alternativ sind auch Kupferpräparate mit entsprechend reduzierter Aufwandmenge von circa 100 bis 150 g Reinkupfer pro Hektar möglich.
Bei einer ausschließlichen Behandlung der oberen Laubwand können die Mittelmengen noch weiter reduziert werden. Diese Vorgehensweise zur Pflanzenschutzreduktion bestätigen auch die Versuchserfahrungen der Rebschutzkollegen an der LVWO Weinsberg in vergleichbaren Jahren mit geringen Befallsdruck.
Kirschessigfliege
Die bislang trocken-heiße Witterung hat die Entwicklung der Kirschessigfliege nicht begünstigt. Mit der aktuell feucht-warmen Wetterlage verbessern sich jedoch die Bedingungen für ihre Vermehrung. Wie sich das Risiko weiter entwickelt, hängt maßgeblich vom Witterungsverlauf im August ab.
Aktuell besteht noch keine akute Gefahr für die Trauben, da diese erst ab circa 60 °Oe für die Kirschessigfliege attraktiv werden. Eine abschließende Risikobewertung ist derzeit noch nicht möglich. Vorbeugende Maßnahmen sollten bereits jetzt bei besonders anfälligen Sorten getroffen werden, dazu zählen unter anderem Acolon, Cabernet Carol/Cortis/Dorsa, Dornfelder, Dunkelfelder, Frühburgunder, Gewürztraminer, Portugieser, Regent, Roter Gutedel sowie Roter und Gelber Muskateller und Trollinger.
- Angepasste Entblätterung der Traubenzone für gute Belichtung und Belüftung
- Ertragsregulierung vor dem Farbumschlag
- Maßnahmen zur Lockerung der Traubenstruktur, Traubenverletzungen vermeiden
- Begrünung kurzhalten
Sonstiges
- Bei anstehenden Behandlungen ist der vierfache Basisaufwand bei der Ermittlung der Mittelmenge zugrunde zu legen.
- Brennnesseln jetzt stehen lassen! Überträgerzikaden der Schwarzholzkrankheit werden durch die Entfernung ihrer Wirtspflanzen (zum Beispiel Brennnesseln) gezwungen, andere Pflanzen, zum Beispiel die Rebe anzufliegen.
- Erzeuger von Tafeltrauben müssen an die entsprechende Zulassung der Pflanzenschutzmittel denken. Dies gilt auch für Keltertraubenanlagen aus denen später möglicherweise Esstrauben geschnitten und in den Verkehr gebracht werden.
- Anwendungsbestimmungen und Auflagen in den Gebrauchsanleitungen der Pflanzenschutzmittel – insbesondere zu den Themen Anwenderschutz und Bienenschutz- sind zu beachten.
- Der Einsatz von Herbiziden auf Vorgewenden, Wegränder und Böschungen ist nicht zulässig.
- Achten Sie auf eine gültige Kontrollplakette am Pflanzenschutzgerät.
- Bei der Gerätereinigung dürfen keine Reste der Spritzbrühe in die Kanalisation oder Oberflächengewässer gelangen.
- Unvermeidbare Restmengen mit Wasser im Verhältnis 1:10 verdünnen und in einer Rebanlage ausspritzen.
- Dokumentationsverpflichtung des Pflanzenschutzes beachten.
Der nächste Hinweis erfolgt am 30. Juli.
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